Medienrecht: Die Territorialität bekommt Risse

Eine neue Verordnung der EU-Kommission soll die teilweise Aufhebung der territorialen Grenzen für audiovisuelle Medienrechte ermöglichen. Deutsche könnten somit bald via Sky die Bundesliga auf Mallorca gucken. So weit, so gut hört es sich zunächst für den Verbraucher und Fußballfans an. Doch wie sehen die Folgen für die Medien- und Sportbusinessbranche aus?

Bereits Anfang nächsten Jahres könnte es soweit sein, dass ein deutscher Fußballfan im Urlaub auf Mallorca sein Sky-Abo nutzt, um die Bundesliga live am Bildschirm zu sehen. Eine neue Verordnung der EU-Kommission soll es möglich machen. Nur noch der Europäische Rat und das Europäische Parlament müssen zustimmen.

Im Kern schlägt die Kommission unter dem Aktenzeichen „2015/0284 (COD)“ und dem Schlagwort „Portabilität“ vor, dass ein Abonnent einer Online-Plattform für digitale Inhalte – wie zum Beispiel Netflix, Spotify oder auch Sky, also linear oder on-demand – sein Abo überall in der EU nutzen kann (siehe Mitteilung der EU-Kommission). Sprich: Nicht nur in seinem Heimatland. Aktuell setzen Plattformbetreiber wie Myvideo und Co. Geoblocking ein, wodurch der Zugang über ausländische IP-Adressen gesperrt ist.

Für Verbraucher sei die neue Verordnung eine tolle Sache, sagen zumindest die EU-Politiker. Aber was bedeutet das für die mit Medienrechten handelnde Sportbranche? Etwa ein Wegfall der territorialen Grenzen bei Medienrechten, den Beobachter bereits 2011 mit dem „Karen-Murphy-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs befürchtet hatten? Muss sich zum Beispiel die Bundesliga auf Sicht auf weniger Medienrechte-Einnahmen einstellen?

„Nicht der finale Schritt zur pan-europäischen Lizenz“

Nein. Zumindest noch nicht. „Das ist nicht der finale Schritt zur pan-europäischen Lizenz“, ist Medienrechtsexperte Pietro Fringuelli von der Kanzlei CMS Hasche Sigle überzeugt. Auch Sabine Verheyen, Abgeordnete im Europäischen Parlament, sagt: „Es wurde erkannt, dass das Territorial-Prinzip wichtig für die Finanzierung audiovisueller Inhalte ist.“

Entwarnung also? Nicht ganz: Fringuelli ergänzt seine Einschätzung: „Die EU geht mit der Verordnung den halben Weg zur Erreichung eines digitalen europäischen Binnenmarktes.“ Der Rest könnte aus seiner Sicht mit der angekündigten Überarbeitung der Kabel- und Satellitenrichtlinie noch in diesem Frühjahr folgen. Im Raum steht dabei, den so genannten „Ursprungslandgrundsatz“ auch auf Onlinedienste auszuweiten und das Recht der Weiterverbreitung technologineutral zu gestalten. Wenn es dazu käme, dürfte beispielsweise ein Italiener auf Inhalte von Online-Plattformen in Deutschland zugreifen. Das wäre de facto der Wegfall der territorialen Grenzen.

Kampf der Lobbyisten auf Hochtouren

Gegen dieses beschriebene Szenario kämpfen Lobbyisten aus Sport und Medien vehement. Zwei Strömungen gibt es derzeit bei den EU-Politikern. Die eine Strömung setzt sich aus Befürwortern des Territorial-Prinzips zusammen, dazu gehört unter anderem CDU-Politikerin Verheyen. Die andere Strömung besteht aus Gegnern von Geoblocking und Verfechtern der Idee eines einheitlichen digitalen Binnenmarktes wie man sie zum Beispiel bei der Piraten-Partei findet.

Aber auch die oben beschriebene Verordnung zur Portabilität hat es in sich. Es gibt offene Fragen. Was die Einschätzung der Folgen schwierig macht. Zum Einen ist die Verordnung unpräzise formuliert: So sollen Abonnenten auf Online-Dienste zugreifen können, wenn sie sich „vorübergehend in einem Mitgliedsstaat“ der EU aufhalten. Näher definiert wird „vorübergehend“ nicht.

Außerdem soll die Überprüfung, wer da gerade zuschaut, den Anbietern überlassen werden. Die Anbieter sollen anhand von Informationen wie Bankverbindung, Internetanschluss oder IP-Adresse dafür Sorge tragen, dass der Nutzer bei der Angabe seines Wohnortes nicht schummelt und dass er nur vorübergehend im Ausland sein Abo nutzt. Es stellt sich die Frage, ob das in der Praxis machbar ist.

Verordnung ermöglicht mehr Missbrauch

Marktnahe Beobachter befürchten, dass die Wohnort-Bestimmung zu einem Problem wird und die Portabilitäts-Verordnung neue Möglichkeiten der Umgehung der territorialen Grenzen eröffnen. „Es wird einfacher sein, sich bei ausländischen Anbietern anzumelden“, glaubt Fringuelli und sagt damit noch mehr digitale Piraterie voraus.

So müssen sich Pay-TV-Anbieter wie Sky wohl schon jetzt Sorgen machen, dass die Log-In-Daten eines deutschen Abonnenten an jemanden in Spanien oder Italien weitergegeben werden. Vielleicht sogar verkauft werden. Derlei Missbrauch aufzudecken, dürfte nicht ganz einfach sein. Zudem könnten deutsche Urlauber leicht Opfer von Hacker-Angriffen werden, wenn sie ihr Online-Abo über ein unsicheres Wifi ihres Hotels nutzen.

Mehr Reichweite für Free-TV-Sender möglich

Neben den offenen Fragen zur Authentifizierung und Feststellung des vorübergehenden Aufenthalts ist zudem unklar, wie sich die Verordnung auf das Geschäft von Free-TV-Sender auswirkt. Theoretisch hätten Sender wie RTL oder ARD und ZDF mit der Verordnung die Möglichkeit, mit Zuschauern Verträge für eine Online-Nutzung im Ausland abzuschließen, auch unentgeltlich. „Die Verordnung ermöglicht den Öffentlich-Rechtlichen erstmals über den Rundfunkauftrag hinauszugehen“, sagt Fringuelli.

Bislang konnten Free-TV-Sender wie die ARD ihren Empfangsbereich wegen des Ursprungslandgrundsatzes nur so weit ausdehnen wie ihr Signal in die Nachbarländer ausstrahlte. Mit der Verordnung könnte die Reichweite der Öffentlich-Rechtlichen über die bisherigen Grenzen hinaus gehen. Ob das auch so kommen wird, ist jedoch ungewiss: Die dafür anfallenden technischen Kosten werden derzeit noch als höher eingeschätzt als die Nachfrage von Zuschauern nach einem Live-Stream des ZDF im EU-Ausland.

T. Kuske

(Dieser Artikel wurde beim Fachmagazin SPONSORs in leicht gekürzter Version in der Februar-Ausgabe veröffentlicht)

(Bildquelle: Gabi Schoenemann / pixelio.de)

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