Helden fürs Boxen gesucht – Teil II

Das Profi-Bosen in Deutschland geht neue Wege und will Vieles besser machen als in der Vergangenheit, als Fans vergrault und zu wenig hinzugewonnen wurden. Deswegen setzen die Boxställe SES und Sauerland mittlerweile gezielt auf deutsche Talente anstatt auf Ost-Europäer. Eine bessere Online-Verknüpfung und PR-Arbeit, Cross-Promotion und neue Wettkampf-Formate sind weitere Bausteine für eine – vielleicht bessere  – Zukunft.*

Rainer Sturm  / pixelio.deSpricht man mit involvierten Vertretern der Box-Branche ist ihnen überraschenderweise „nicht bange um die Zukunft“ – aber was sollen sie auch anderes sagen. Sauerland-Geschäftsführer Frederick Ness zum Beispiel meint: Beim Nachwuchs sei man mit Talenten wie Enrico Kölling, Stefan Härtel, Tyron Zeuge, Jack Culcay oder Vincent Feigenbutz gut aufgestellt. Der erst 19-jährige Feigenbutz soll noch 2015 gegen Fedor Tschudinow um die WM-Krone boxen und könnte der jüngste deutsche Weltmeister werden. Das wäre eine schöne Geschichte für die Massen. Allerdings gilt Tschudinow als erster ernst zu nehmender Gegner für die Nachwuchshoffnung aus Karlsruhe.

Dass der Berliner Stall gezielt junge Deutsche fördert, ist neu – könnte sich aber als richtig erweisen. In den vergangenen Jahren hatte Sauerland immer wieder auf gut ausgebildete Boxer aus Osteuropa gesetzt, wohl in der Hoffnung, auf ungeschliffene Diamanten wie die Klitschkos zu stoßen. Doch Männer wie Nikolai Walujew oder Alexander Powetkin konnten das deutsche Publikum nie überzeugen.

Mittlerweile scheint Sauerland verstärkt deutsche Boxer zu neuen „local heros“ aufbauen zu wollen. Ebenso der Magdeburger Boxstall SES, der bereits im Juni 2013 eine Gruppe deutscher Talente um den WBO-Juniorenweltmeister Dominic Bösel scoutete und sie im Juni 2013 als „Team Deutschland“ ausrief. Laut SES-Geschäftsführer Ulf Steinforth hat sich diese Idee ausgezahlt, unter anderem durch einen Vertrag mit dem MDR, der seit diesem Jahr live von den Kämpfen des „Teams Deutschland“ berichtet. Auch Steinforth gibt sich optimistisch: Generell gebe es aktuell „mehr Profi-Boxer in Deutschland als vor 10 oder 15 Jahren“, sagt er.

Ähnlich positive Stimmen kommen aus dem olympischen Amateurboxen, zumindest was die Quantität angeht. Der Deutsche Boxsport-Verband verzeichnet seit vielen Jahren deutliche Zuwächse bei den Mitgliedern: 2001 waren es 57 790 Mitglieder, 2014 insgesamt 71 733. Franz Zimmermann, der bis diesen Juni 55 Jahre Geschäftsführer des Boxvereins SC Colonia 06 war, spricht sogar von einem Boom: „Wir hatten noch nie so viele Kinder von acht bis zwölf Jahren.“ Zwar würden Viele nur wegen der Fitness kommen, der ein oder andere wechsele aber zum Wettkampf-Boxen. Dass junge deutsche Boxer nachstoßen und Erfolge feiern, scheint also nicht abwegig.

Mehr PR und Cross-Promotion

Jedoch wird niemand zum Imageträger, wer einzig sportliches Talent hat. Boxställe und Kämpfer sind gut beraten, über ihr Handeln zu kommunizieren. Mit Ausnahme der Klitschko-Brüder, die seither jeher auf Show-Couches wie „Wetten, dass..?“ saßen, beschränkte sich bei den Boxställen die PR-Arbeit bislang zu sehr auf die Kommunikation rund um einen Kampf. Ein Boxer auf Top-Niveau kann aber höchstens dreimal pro Jahr in den Ring steigen. Entsprechend schwierig ist es, eine ähnliche Präsenz in den Medien zu haben wie etwa ein Fußballer, der wöchentlich spielt.

Sauerland und SES scheinen sich nun verstärkt diesem Grundproblem anzunehmen. Vielleicht auch, weil von Sat.1 entsprechender Input kommt: „Sat.1 ist mit neuen Ideen für ein jüngeres Publikum an uns herangetreten“, sagt Ness von Sauerland. Eine davon lautet Cross-Promotion. Abraham trat zum Beispiel im „Sat.1-Frühstücksfernsehen“ auf, wo er Tipps für gute Ernährung gab. Themen wie effektives Training oder mentale Stärke bieten sich ebenfalls an, um Boxern übers Jahr Medienpräsenz zu verschaffen. Auch Steinforth von SES bemüht sich um bessere PR-Arbeit. Aktuell berichtet Steinforth von „neuen Einnahmefeldern“ wie Auftritte seiner Boxer bei Mitarbeiterschulungen großer Konzerne.

Online-Verknüpfung und Pay-per-fight

Relativ neu für das Boxen in Deutschland ist zudem die intensive Verknüpfung von TV und Online, die ProSiebenSat.1 vor allem über die Internetseite Ran.de/boxen aufgezogen hat. Dort gibt es ein Video-Archiv, Vor- und Nachberichte oder Steckbriefe zu Boxern. Zudem wurde das Thema Live-Streaming gegen Bezahlung vorangetrieben: Einzelne Kämpfe gab es bereits exklusiv auf den Videoportalen Maxdome und Myvideo, beides Tochterfirmen von ProSiebenSat.1.

Noch scheint die Experimentierphase aber nicht überwunden: Die Höhe der Abrufzahlen will keiner nennen und Bernd Bönte beklagt sich, dass Gennady Golovkin zuletzt „auf Maxdome versteckt wurde“. Dabei ist der gebürtige Kasache in den USA bei HBO ein Star, gilt als weltbester Mittelgewichtler und hat bis Ende 2014 in Stuttgart gelebt – Ansatzpunkte für das deutsche Publikum gäbe es also.

Nachwuchsboxer mithilfe von Streaming bekannter zu machen, könnte hingegen schon jetzt eine gute Strategie sein: Im April war der Kampf von Tyron Zeuge, Jahrgang 1992, nur auf Ran.de zu sehen. Und künftig kommen alle Vorkämpfe ab 18 Uhr auf Ran.de. Auf diese Weise gibt es eine Alternative zum bisherigen Weg, Talente einem breiteren Publikum näher zu bringen. Bislang hieß es einzig und allein: Ab ins Vorprogramm eines Hauptkampfes. So war es etwa bei Abraham, der im Vorprogramm von Sven Ottke antreten durfte.

Neue Wettkampf-Formate

Durchaus möglich, dass junge Boxer wie Feigenbutz zu neuen Helden aufgebaut werden können und ähnlich wie bei Maske einen Hype auslösen. Anzuraten ist den übrig gebliebenen Boxställen aber, ihre Hoffnungen nicht allein darauf zu setzen. Vielmehr sollten sie weiter an ihrem Produkt, dem Profi-Boxen feilen. Und dafür auch einen Weg beschreiten, den sie bereits angetestet haben: Neue Wettkampfformate in Form von Turnieren etwa. Sauerland hat diese Idee bereits ausprobiert. Sechs Supermittelgewichtler sollten ab 2009 in einem Turniermodus über zwei Jahre verbandsübergreifend um den WM-Gürtel boxen. Das „Super Six World Boxing Classic“ überzeugte aber nicht: Drei Boxer stiegen verletzungsbedingt nach einem Jahr aus, es gab Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Promotern wegen der Termine und zwei von vier Weltmeistern waren erst gar nicht eingeladen.

Nach dieser Bauchlandung scheint der Mut zu fehlen. Zwar hat auch SES mit neuen Formaten experimentiert, etwa mit einem Turnier mit mehreren Kämpfen hintereinander über weniger Runden als normal und an einem einzigen Abend. Es scheint aber derzeit in weiter Ferne, dass so etwas mit den aktuellen Top-Kämpfern durchgeführt wird. Dass also vom gewohnten Modell eines 12-Runden-Kampfes alle vier Monate abgerückt wird und ein Boxer stattdessen zum Beispiel alle zwei Monate oder sogar am gleichen Abend über nur sechs Runden antritt. Oder eine Art Länderkampf, bei dem die besten Boxer eines Landes gegen die eines anderen Landes antreten. England gegen Deutschland etwa. Die dazu derzeit vorherrschende Meinung in der Branche spricht gegen derlei Ideen: Aufgrund widerstreitender Vorstellungen und Interessen von Promotern, Boxställen und TV-Sendern gilt so etwas mittelfistig als nicht umsetzbar.

Dabei könnte das Aufbrechen der Wettkampf-Formate neue Chancen eröffnen. Andere Sportarten haben dies vorgemacht. Biathlon zum Beispiel: Der Weltverband führte mit Mixed-Staffeln, Massenstart und Verfolgung neue Formate ein und hatte damit viel Erfolg.

(Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de)

*Diesen Text habe ich für das Fachmagazin SPONSORs geschrieben, wo er in einer etwas modifizierten und kürzeren Version in der aktuellen September-Ausgabe erschienen ist. Den ersten Teil zu diesem Text gibt es hier.

 

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