Radsport in Deutschland: Status quo

Diejenigen, die den Artikel „Eine Randsportart, die sich zu wenig traut“ lesen, sollten sich auch mit dem folgenden Text beschäftigen, der die im Vergleich zu früheren Zeiten schlechter gewordene Situation für Profi-Straßenrennradsport in Deutschland beleuchtet. Konkret geht es um deutsche Unternehmen als Sponsoren im Radsport, nationale Helden, TV-Berichterstattung, Übertragungsrechte, Einschaltquoten und Interesse am Radsport. *

©Siegfried Fries/PIXELIO

Derzeit hat nicht ein von deutschen Unternehmen gesponsertes Team Chancen, eine Top-Platzierung bei der Tour de France zu erreichen. Damit gibt es nur geringe Chancen für den Radsport, nachhaltig signifikante Medien-Aufmerksamkeit in Deutschland zu generieren. Zur Einordnung: Der Etat des derzeit dominierenden Teams Sky lag 2016 bei 35 Millionen Euro, beim Team des schweizerischen Fahrradherstellers BMC waren es 28 Millionen Euro.

Aktuell engagieren sich inzwischen drei deutsche Unternehmen als Sponsoren dreier Radteams, auch wenn diese nicht zur absoluten Weltelite zählen: Bora, Hans Grohe und Alpecin. Das Bielefelder Unternehmen Alpecin ist seit der Saison 2017 Co-Sponsor des Radteams Katusha, das seinen Sitz in die Schweiz verlegt hat. Der Etat von Katusha-Alpecin im Jahr 2017 wird auf 17 Millionen Euro geschätzt – also rund die Hälfte des führenden Teams Sky.

Gegenüber früheren Glanzzeiten ist die Situation für den Radsport in Deutschland auch deshalb schlechter, da es keinen derart strahlkräftigen nationalen Helden à la Jan Ullrich gibt. Marcel Kittel, Tony Martin, Andre Greipel oder John Degenkolb sind trotz ihrer durchaus beachtenswerten Erfolge bei Weitem nicht so präsent in den Medien.

Das mag wiederum auch an der TV-Berichterstattung liegen, die schon mal breiter und intensiver war: Die ARD überträgt seit 2015 zwar wieder von der Tour de France, nachdem der öffentlich-rechtliche Sender zusammen mit dem ZDF aufgrund zahlreicher Dopingskandale von 2011 an gar nicht mehr live berichtet hatte. Die ARD soll für die Übertragungsrechte der Tour de France 2016 und 2017 insgesamt unter fünf Millionen Euro gezahlt haben. Im Zyklus 2009 bis 2011 waren es zusammen mit dem ZDF noch rund 20 Millionen Euro.

Die Einschaltquoten sind nicht berauschend: 2015 sahen bei der ARD im Durchschnitt 1,11 Millionen. Das ergab einen Marktanteil von 9,7 Prozent. 2016 betrugen die Vergleichszahlen 1,18 Millionen und 9,7 Prozent, 2017 waren es dann 1,34 Millionen und 10,8 Prozent.Die ARD ist zudem weit davon entfernt, sich als Sponsor eines Radstalls wie einst beim Team Telekom zu engagieren oder wie noch Anfang der 2000er-Jahre als „Radsportsender Nummer eins“ zu bezeichnen. Dieses Etikett beansprucht mittlerweile der Spartensender Eurosport, der breitflächig von Radrennen berichtet, aber natürlich nicht an die Quoten eines öffentlich-rechtlichen Senders herankommt. 200 000 bis 400 000 Menschen in Deutschland erreicht Eurosport seit Jahren mit seinen Übertragungen von der Tour de France (2017: 0,33 Millionen Zuschauer im Schnitt und 3,0 Prozent Martkanteil).

Ferner ist das generelle Interesse am Radsport in Deutschland seit Jahren nicht mehr so stark wie früher: Laut einer repräsentativen Erhebung von Nielsen Sports interessierten sich im Mai 2006 noch 40 Prozent der Befragten für Radsport. Im Mai diesen Jahres waren es nur noch 20 Prozent (siehe Grafik).

(Quelle für Foto im Text: ©Siegfried Fries/PIXELIO;Foto auf Startseite:  ©Michael Bührke/PIXELIO)

* Diesen Text habe ich für das Sportbusinessmagazin SPONSORs geschrieben, wo er in leicht modifizierter Form veröffentlicht wurde.

 

 

 

 

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