Lizenzvergabe Sportwetten: „Was da abläuft, ist idiotisch“

Ich habe für die aktuelle Ausgabe des Fachmagazins SPONSORs ein Interview mit Jürgen Creutzmann über den Einfluss der EU bei der Vergabe von Sportwettenlizenzen geführt. Der FDP-Politiker ist Abgeordneter im Europäischen Parlament und hat sich als Berichterstatter in das Thema Online-Glücksspiel eingearbeitet.

Herr Creutzmann, Sie haben bereits 2011 dem Europäischen Parlament einen Bericht zum Online-Glücksspiel in Europa vorgelegt und halten seitdem immer wieder Vorträge zu diesem Thema. Wie schneidet Deutschland bei der Gesetzgebung zum Glücksspiel ab?

Creutzmann: Wenn ich die Situation mit der in anderen Ländern aus der EU vergleiche, muss ich leider zu dem Urteil kommen, dass sich Deutschland in diesem Bereich äußerst stümperhaft anstellt.

Was kritisieren Sie?

Creutzmann: Es ist aus meiner Sicht – und es tut mir leid, wenn ich das jetzt so drastisch formulieren muss – idiotisch, was da gerade hinsichtlich der Lizenzvergabe abläuft. Nicht nur, dass man die beschlossene Liberalisierung des Sportwettenmarktes noch immer nicht umgesetzt hat. Auch die Art und Weise des Ausschreibungsverfahrens halte ich für höchst kritikwürdig. Nach allem, was ich erfahren habe, ist es weder transparent, noch wurde der Grundsatz der Chancengleichheit ausreichend berücksichtigt. Allein diese beiden Kritikpunkte genügen, um das Verfahren zur Lizenzvergabe als unvereinbar mit europäischem Recht zu deklarieren.

Insbesondere Anbieter von Sportwetten wie etwa Bwin könnten noch die wage Hoffnung haben, dass sich die EU-Kommission einschaltet und die Verstöße gegen EU-Recht nicht mehr akzeptiert. Halten Sie das für möglich?

Creutzmann: Die Kommission hat bereits verschiedene Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsstaaten eingeleitet, weil deren Gesetzgebung zum Glücksspiel nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Warum soll es nicht auch Deutschland treffen? Zumal die Kommission dem neuen Glücksspielstaatsvertrag eine Experimentierphase von zwei Jahren eingeräumt hat, die im Juli 2014 ausläuft. In seinem Kommentar zum Glücksspielstaatsvertrag hatte die Kommission bereits einige Punkte bemängelt. Wenn die Kommission nun nach zwei Jahren feststellt, dass Deutschland hinsichtlich dieser Kritikpunkte überhaupt nicht tätig geworden ist, kommt sie wahrscheinlich nicht umhin, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Und dabei wird Deutschland verlieren.

In der jüngeren Vergangenheit hat sich die EU schwer getan, dem wirtschaftlich potenten und damit auch politisch mächtigen Deutschland bei anderen Themen Vorschriften zu machen. Glauben Sie wirklich, in Brüssel will man sich auch noch wegen des Glücksspiels mit Deutschland anlegen?

Creutzmann: In der Tat ist die Kommission eher zurückhaltend, was Vertragsverletzungsverfahren angeht. Und man muss natürlich auch sehen, dass in der EU das Subsidiaritätsprinzip gilt, wonach jeder Mitgliedsstaat zunächst eigenverantwortlich bestimmte Dinge selbst regeln darf und die EU nur dann eingreift, wenn eine Angelegenheit auf europäischer Ebene besser geregelt werden kann. Das Glücksspiel gehört dazu, das heißt, jedes Land muss für sich selbst entscheiden, ob es ein staatliches Monopol haben will oder Lizenzen vergibt. Aber wenn Lizenzen vergeben werden, muss eben auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Sonst wird es Klagen von Sportwettenfirmen geben.

Nach allem, was man aus der Branche hört, könnte es dazu kommen. Trotzdem noch einmal die Frage: Glauben Sie, dass sich die EU mit dem Thema Glücksspiel in naher Zukunft eingehender befassen wird?

Creutzmann: Nach meinem Bericht hat sich bereits eine Menge getan. Die EU-Kommission hat zum Beispiel eine eigene Richtlinie zum Thema Geldwäscheprävention herausgegeben, die sich auch auf Glücksspielangebote auswirktGeldwäsche und Wettmanipulation sind Dinge, bei denen ein einzelner Mitgliedsstaat wie Deutschland allein nichts ausrichten kann. Daher ist eine Zusammenarbeit innerhalb der EU hierbei unabdingbar. Ich weiß zwar, dass sich die Anbieter von Sportwetten selbst intensiv mit dem Thema befassen und sich dazu auch miteinander austauschen – eben weil sie erheblichen Schaden durch Manipulationen erleiden. Dennoch muss auch die EU hier tätig werden und noch mehr tun.

Aus Sicht der FIFA kommt die Bedrohung durch Wettbetrug Spielmanipulation vor allem aus Asien. Was kann die EU denn konkret gegen die illegalen asiatischen Anbieter tun?

Creutzmann: Internet-Blocking, wie es in einem Bericht des britischen Konservativen Ashley Fox gefordert wird, bringt nichts. Aber eine Art Bank-Blocking, das sich gegen unerwünschte Geldströme richtet, könnte man gut auf EU-Ebene durchführen. In den USA hat man mit Kreditkarten-Blocking bereits gute Erfahrungen gemacht. Ich habe mir das dort selbst angesehen. So etwas ist auf die EU übertragbar.

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