Bundesliga vernachlässigt Frauen

Gender-Marketing ist in der Bundesliga offenbar noch immer ein Fremdwort. Trotz gestiegenem Frauen-Anteil in den Stadien und bei TV-Zuschauern werden die weiblichen Fans als Zielgruppe weitgehend ignoriert. Zu viele Clubs und Sponsoren lassen damit Potenzial ungenutzt.

Puppen und Augsburg, ja das passt. Frauen und Augsburg, nein, das offenbar nicht. Zumindest könnten Außenstehende auf diesen Gedanken kommen, wenn sie sich die Fanartikel des FC Augsburg anschauen: Im Online-Shop des Clubs gibt es kein einziges Fan-Shirt für Frauen. Ein Trikot mit Damenschnitt fehlt ebenfalls. Bei Liga-Konkurrent TSG 1899 Hoffenheim sieht es kaum besser aus.

Solch ein dürftiges Angebot für weibliche Fans ist sonst in der Fußballbundesliga zwar die Ausnahme. Doch selbst ein Club wie der Hamburger SV bietet erst seit dieser Saison ein Trikot mit Damenschnitt an. Dabei hat der HSV laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2014 allein in Deutschland immerhin 1,73 Millionen weibliche Fans (ab 14 Jahren) und entsprechendes Erlöspotenzial.

Warum werden Frauen in der Bundesliga häufig so wenig umworben? Und wieso wird auf ihre geschlechterspezifischen Wünsche nicht oder kaum eingegangen?

Kaum spezielle Angebote für Frauen

Viele Bundesligisten antworten auf die Frage, ob es Aktionen oder kommunikative Ansprachen für weibliche Fans gibt, lapidar: Gibt es nicht, machen wir nicht. Thomas Röttgermann, Geschäftsführer des VfL Wolfsburg, sagt beispielsweise: „Unsere Angebote richten sich an Männer und Frauen.“ Eine Unterscheidung nach Geschlecht mache keinen Sinn.

Oder Carsten Cramer, Marketing Direktor von Borussia Dortmund, der sagt, dass sich sein Club an die ganze Familie wende – und nicht geschlechterspezifisch. Der BVB habe auch keine Frauenparkplätze oder besonderen Getränke für Frauen im Stadion. Allein im Sanitärbereich des Signal Iduna Parks wolle der Club mehr dem größeren Hygiene-Bedarf Rechnung tragen. „Gender-Marketing ist das aber natürlich nicht“, räumt Cramer ein und nennt damit den Fachterminus, der vor circa zehn Jahren aus den USA und Skandinavien herüberschwappte.

Ihren Ursprung hatte der Marketingansatz in Studiendenen zufolge in den 70er-, 80er- und 90er-Jahrendes 20. Jahrhunderts der Anteil der erwerbstätigen Frauen ebenso gestiegen ist wie ihre Kaufkraft. Eine weitere wichtige Erkenntnis war die der amerikanischen Wissenschaftlerin Faith Popcorn, dass: Frauen bis zu 80 Prozent aller Konsumausgaben in einem Haushalt entscheiden. Die Forschung schlussfolgerte, es sei sinnvoll, Frauen gezielt und anders zu umwerben als Männer.

17,8 Millionen interessierte Frauen

frauenEigentlich keine neue Erkenntnis und auch keine Revolution. Jedoch scheinen sich viele Bundesligisten nicht darum zu kümmern. Dabei ist der Anteil von Frauen, die sich für Fußball interessieren und Spiele im Stadion oder TV verfolgen, längst nicht mehr zu ignorieren: „Fußball ist bei Frauen in Deutschland seit über zehn Jahren die beliebteste TV-Sportart“, sagt Iris Lohrer, Senior Consultant bei der Sponsoringberatung Repucom. Die Beliebtheit geht so weit, dass während der FIFA WM 2014 mit 42 Prozent fast die Hälfte der TV-Zuschauer in Deutschland weiblich war.

frauen 2Grundlegend für Fußball interessieren sich laut Repucom 54 Prozent der 16- bis 69-jährigen Frauen – das sind sieben Prozent mehr als 2010 (siehe Grafik). Das Allensbacher Institut für Demoskopie liefert absolute Zahlen: 2012 bis 2014 interessierten sich von insgesamt 35,93 Millionen deutschen Frauen ab 14 Jahren durchschnittlich 17,8 Millionen für Fußball. Zum Vergleich: Beim Biathlon waren es 10,17 Millionen interessierte Frauen, beim Handball 8,82 Millionen.

Das grundlegend hohe Fußball-Interesse schlägt sich nicht allein bei den TV-Quoten nieder: In den Bundesliga-Stadien sind laut Repucom ein Viertel der Zuschauer weiblich. Gegenüber 1994 ist das eine Verdoppelung.

Fettnäpfchen lauern

Die Gruppe „weibliche Fußball-Fans“ hat also nachgewiesen Potenzial. Ein Problem gibt es aber: Einfach ist geschlechtsspezifisches Marketing nicht. Im Gegenteil, es lauern Fettnäpfchen. Sponsoren müssen um die Befindlichkeiten wissen – gender-spezifisches Marketing kann schnell als Sexismus oder Diskriminierung aufgefasst werden.

Unglückliche Ideen und Aktionen gab es einige: In den 70er-Jahren wollte der damalige HSV-Präsident Peter Krohn mit Sektbädern für erfolgreiche Torschützen Frauen ins Stadion locken. Jahre später kamen rosa Fanschals in die Bundesliga. Noch immer gibt es rosa Fanartikel – trotz massiver Proteste von Fans. Die Kritik: Rosa Fanartikel konterkariere die Idee, dass ein Fan sichtbar für den Club und seine Farben einsteht. Frauen würden so zuerst ihrem Geschlecht zugeordnet und nicht als normaler Fan angesehen.

Auch über Rabatte für „Rentner, Arbeitslose und Frauen“ oder andere Bevorzugungen beschweren sich weibliche Fans in Internet-Foren. Das sei positive Diskriminierung. Diese Sensibilität lässt sich erklären: Frauen werden noch immer mit Vorurteilen konfrontiert. Latent wird fehlender Sachverstand unterstellt oder dass eigentlich nur die durchtrainierten Körper der Fußballer von Interesse seien.

Derartige Stereotype bediente Hertha BSC 2007 mit Herthafreundin.de – eine Fanseite speziell für Frauen. Es gab Hautpflegetipps für 90 Minuten Kälte im Stadion, Kochtipps von einem Hertha-Profi und Oben-Ohne-Fotos von Kevin-Prince Boateng – muskelbepackt beim Fitnesstraining. Auch wenn Herthafreundin.de mit einem ironischen Augenzwinkern verstanden werden sollte, so war aufgrund der inhaltlichen Plattheit abzusehen, dass die Seite alsbald wieder offline genommen wurde. Damit war einer der wenigen Versuche gescheitert, fußballinteressierte Frauen direkt anzusprechen

Zurückhaltung bei Sponsoren

Die Clubs stehen mit ihrer Zurückhaltung gegenüber weiblichen Fans nicht allein da. Bei den Sponsoren sieht es nicht besser aus. Einen der wenigen Versuche eines Sponsors gab es bei Werder Bremen: In der Saison 2012/13 hatte Kraft Foods für seine Marke „Jacobs Krönung“ im Weser-Stadion eine VIP-Loge zur „Jacobs Ladies Lounge“ umbauen lassen. Bis zu 16 weibliche Fans sollten laut Marco Gottschalk von Jacobs Krönung „in einer grün-weißen Wohnzimmeratmosphäre bei Kaffee und Kuchen die Heimspiele von Werder in einem ganz besonderen Ambiente“ erleben.

Ein anderes Beispiel ist Prowin. Der Vertriebler für Reinigungsprodukte ist seit der Saison 2013/14 Hauptsponsor des damaligen Zweit- und aktuellen Drittligisten VfR Aalen. Bemerkenswert ist das Sponsoring, weil circa 90 Prozent der Prowin-Kunden Frauen sind. Wie Tupperware setzt das Unternehmen auf Vertriebspartys. Ziele des Sponsorings waren laut Mario Lucan, Teamleiter des VfR-Vermarkters Sportfive, eine Steigerung der Bekanntheit und Stärkung des Images. „Die Rechnung lautete: Wenn die Männer der Kundinnen Prowin als Sponsor eines Bundesligisten in Verbindung bringen, sind sie aufgeschlossener und positiver gestimmt, wenn ihre Frauen zu den Vertriebspartys gehen wollen.“ Verdiente Vertrieblerinnen belohnte Prowin zudem mit einer Eintrittskarte für sie und ihren Mann bei einem der 17 Auswärtsspiele des VfR Aalen. Weitergehende genderspezifischere Aktivierungen habe es nicht gegeben, sagt Lucan. „Wir sind mit den klassischen Maßnahmen schon gut gefahren.“ Die vom Unternehmen vorab gewünschte Steigerung der Bekanntheit sei erreicht worden.

Ran an die Frauen!

Es gibt sicher Gründe, warum Marketing für die Frau in der Bundesliga bislang kaum eine Rolle spielt. Drohende Fettnäpfchen etwa. Oder eine vermeintlich zunehmende Verwischung bei den Grenzen der Rollenbilder von Mann und Frau. Jedoch sollte es für Clubs und Sponsoren möglich sein, auf tradierte Geschlechterrollen – wie etwa, dass sich Frauen fürs Kochen interessieren, Männer nicht – zu verzichten und die Befindlichkeiten hinsichtlich platter Stereotype zu berücksichtigen. Hauptsächlich mangelt es wohl eher an Mut und Kreativität.

Dabei gibt es leuchtende Vorbilder – wenn auch nicht im Fußball, sondern bei den Olympischen Spielen: Der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble (P&G) hatte mit seiner „Thank you mom“-Kampagne vor und während London 2012 und Sotschi 2014 ungeheuren Erfolg.

Weil P&G mit der Aussage, dass die Athleten ohne ihre Mütter nicht so weit gekommen wären, emotional die weibliche Zielgruppe und deren Beziehung zu ihren Söhnen und Töchtern ansprach. Die Kampagne berücksichtigte Erkenntnisse aus der Forschung, dass Frauen über eine ausgeprägtere Sozialkompetenz und Beziehungsfähigkeit verfügen und ihnen diese Themen sehr zusagen.

Die Bundesligisten und ihre Sponsoren sollten auf derartige Erkenntnisse zugreifen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Sponsoren mit ihren Aktivierungen nicht vermehrt auf die Gruppe abzielen, die mehrheitlich die Kaufentscheidung treffen. Zumal eine auf Frauen ausgelegte Ansprache nicht gleich eine Vernachlässigung der Männer bedeuten muss. Die P&G-Kampagne dürfte auch bei Männern gut ankommen.

Und es nicht verständlich, warum die Clubs zum Beispiel ihren Online-Shop nicht stärker auf Frauen abstimmen. Frauen bevorzugen nachgewiesenerweise im Durchschnitt eher lebendige als dunkle Farben. Oder runde und weiche Formen, Muster sowie eine ausgefallene Schrift. Zudem interessieren sie sich weniger für Fakten und Daten. Geschichten und Testimonials erhaschen eher ihre Aufmerksamkeit – auch für Sponsoren hochinteressant. Auf Basis solcher Erkenntnisse könnten Clubs beispielsweise ihre Stadion-App oder ihren Newsletter an Vereinsmitglieder und Dauerkarteninhaber optimieren. Optisch und inhaltlich.

Sicherlich sind dies nur ein paar mögliche Ideen und Gedankenanstöße. Bundesligisten, Vermarkter und Sponsoren sollten weitere ausarbeiten. Denn über eines sollten sie sich bewusst sein: Die weiblichen Fans weiter zu ignorieren, sie wie Männer zu behandeln, bedeutet Potenzial zu verschenken.

 

(Diesen Text habe ich für das Fachmagazin SPONSORs geschrieben.)

(Bildquelle: tokamuwi / pixelio.de)

(Quelle für Grafiken: Repucom)

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