Aktivierung eines Sponsorings in der Pandemie

Durch die Corona-Pandemie und die dadurch resultierende Abwesenheit der Fans in den Stadien müssen sich Sponsoren noch mehr als sonst den Kopf zerbrechen, wie sie ihr Sponsorship aktivieren und bekannter machen. Siemens hat sich für seine Partnerschaft mit dem FC Bayern München unter anderem die Kampagne „FC Bayern Pulse“ ausgedacht und dabei vor allem die Anhänger im Ausland im Fokus. Ein Best-case ist das aber nicht, es wirft eher einige Fragezeichen auf.

Wolfgang Dirscherl_pixelio_deWeil die Fans nicht mehr in die Stadien dürfen, funktionieren seit einem Jahr die einfachsten Aktivierungen nicht mehr. So etwa Gewinnspiele, bei denen Fans irgendwelche Sachen machen müssen wie zum Beispiel ein lustiges Handy-Video drehen, die viral in sozialen Netzwerken weiterausgespielt werden können und bei denen Fans am Ende eine Eintrittskarte für ein Spiel gewinnen können. Optional noch mit Upgrades wie bezahlte Anreise, Übernachtung oder Zutritt zum Hospitality-Bereich. Ebensowenig möglich sind irgendwelche „Meet&Greet“-Aktionen mit Spielern oder Funktionären. Natürlich können dennoch Gewinnspiele konzipiert werden, mit anderen Preisen. Wie beispielsweise ein handsigniertes Trikot. Auf emotionaler Ebene ist das für einen Fußballfan aber sicher nicht vergleichbar und damit ein weit geringerer Reiz, sich mit dem Gewinnspiel des Sponsors auseinanderzusetzen.

Was also tun? Siemens hat sich die Kampagne „FC Bayern Pulse“ ausgedacht, die vor allem an ausländische Fans addressiert zu sein scheint – daher auch der englische Ausdruck für Puls. „FC Bayern Pulse“ ist eine Anknüpfung an das Projekt „Reimagine the Game“, bei dem 2018 gemeinsam mit der Datenvisualisierungs-Agentur Signal Noise der durch Zuschauer in der Allianz Arena generierte Lärm visualisiert wurde. So konnte mittels Heatmaps gezeigt werden, welche Zuschauerblöcke im Stadion mehr Lärm machen als andere, welche Aktionen im Spiel wie zum Beispiel gelbe Karten oder Tore für was für einen Lautstärke-Anstieg in der Arena gesorgt haben und welche Spieler am lautstärksten von den Fans unterstützt wurden.

Ende vergangenen Jahres wurde dann #FCBayernPulse ins Leben gerufen und über verschiedene Kanäle wie Twitter bekannt gemacht. Auf einer eigens für die Kampagen gelaunchten Internetseite wird das neue Projekt wie folgt erklärt:

„(…) Mit #FCBayernPulse erforschen wir die nächste Dimension der Fan-Energie. Wir nutzen neue Daten, um die Verbindung zwischen Fans und Spieler*innen zu quantifizieren und den Spielrythmus aufzudecken. Unsere Vision: den Herzschlag des FC Bayern zeigen. Dazu messen wir die Herzfrequenz der Fans während eines Spiels – aktuell natürlich zu Hause. In Kombination mit anderen Spieldaten erfassen wir so Intensität und Spannung einer Partie. Diese interaktive Website visualisiert den kollektiven Puls des FC Bayern, den #FCBayernPulse.“

Ziemlich kryptisch. Es soll also die Verbindung zwischen Fans und Spielern quantifiziert und der Spielrythmus aufgedeckt werden? Verworrener kann man kaum formulieren. Und unkonkreter auch nicht: Irgendwie werde irgendwo die Herzfrequenz von irgendwelchen Fans des FCB gemessen. Aha. Aber damit nicht genug, das PR-Dampfgeplauder geht auf der Internetseite weiter:

 #FCBayernPulse – DIE MESSUNG. Aus dem Sport sind Daten nicht mehr wegzudenken, besonders wenn es um die Leistung des Teams geht. Beim #FCBayernPulse stehen die Daten der Fans im Mittelpunkt – und die Partnerschaft zwischen Siemens und dem FC Bayern. Wir gehen den Fans sprichwörtlich unter die Haut und ihren Emotionen auf den Grund. Und was könnte die wahren Gefühle der Fans bei einem Spiel besser zeigen als ihr Herzschlag? Zur Messung des #FCBayernPulse verwenden wir biometrische Daten. Mit Computer Vision berechnen wir die Spielintensität auf Basis der kollektiven Spielgeschwindigkeit und der Aktivität in Tornähe. So entdecken wir interessante Muster bei jeder Partie.“

Dazu gibt es noch ein englischsprachiges Erklär-Video:

In diesem Video werden im sprichwörtlichen Sinne mehrere Vögel mit abstrusen Phrasen abgeschossen. Ein Auszug: „We want to show: the fans are still the heart of the game. To capture their emotion wherever they are watching – we felt FC Bayern Pulse.“ Ist ja schön und gut, wenn Siemens mit dem FC Bayern zeigen will, dass die Fans immer noch das Herz des Spiels sind. (Selbst wenn man sich fragen kann, ob es im Kern seit jeher nicht eher um das Treiben auf dem grünen Platz, also das Kicken an sich, gehen soll.) Aber wie um alles in der Welt, sollen denn mithilfe irgendeiner Herzfrequenz von vermeintlichen Bayern-Fans Gefühle eingefangen werden? Hohe Herzfrequenz = Spannung? Okay, das lässt sich vielleicht noch nachvollziehen und verargumentieren. Aber ist Spannung wirklich ein Gefühl und wenn ja, ist es das einzige zu dem Fußballfans in der Lage sind? Und was bedeutet es, wenn die Herzfrequenz niedriger ist? Sind die Fans dann gelangweilt?

Abstrus übertriebenes PR-Gebrabbel ohne Fundament

Mit anderen Worten: Die Aussage, die Gefühle von Fans des FC Bayern während eines Spiels mithilfe ihrer Herzfrequenz zu visualisieren, ist einfach nur gaga und abstrus übertrieben. FC Bayern Pulse - SiemensEin weiteres Problem: Schaut man sich die visualisierten Herzfrequenzen an, pendeln sie fast ausschließlich zwischen 90 und maximal 115. Die Varianz ist also reichlich gering und damit auch kaum auszumachen, wann es spannender wird im Spiel und wann nicht: So mancher Fan dürfte auch beim Gang zur Toilette auf einen Puls von 115 kommen. Die visualisierten Herzfrequenzen geben rein optisch durch die geringen Unterschiede ein ziemlich langweiliges, weil ein sich kaum veränderndes Bild ab. Das Ganze erinnert eher an eine Visualisierung der Download-Geschwindigkeit beim Runterziehen von großen Dateien aus einer Cloud auf den PC. Interessant ist anders.

Die PR-Werbe-Lyriker von Siemens haben aber noch mehr niedergeschrieben und in das Erklär-Video reinsprechen lassen: „To reconnect supporters, so players can fell their energy again. (…) We want to get under the skin of Bayern global fan-base and reflect their true emotions. The collective pulse of FC Bayern. Reingeneering the fan-experience, supporters can transmit their energy and passion to the team in a new dimension. A world class fan-experience for a world class club. FC Bayern Pulse. Because the beating heart of football is the fans.“ Einfach nur erstaunlich diese Fantasie, diese Wortakrobatik. Dicker auftragen konnten sie wohl nicht. Weltklasse Fan-Erfahrung also. Aha. Leider wurde hier vergessen, dass man es auch in PR-Texten übertreiben kann, sodass es selbst für verblendete Bayern-Afficinados irgendwann zu viel und unglaubwürdig wird. Vor allem, wenn die Visualisierung nicht das hält, was übervollmundig versprochen wird.

Kampagne wurde bisher nur verhalten ausgerollt

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Entscheider bei Siemens auch nicht so wirklich von dem „FC Bayern Pulse“-Projekt überzeugt sind: Das Ausspielen über Twitter ist bislang überschaubar. Eine Mitteilung des FC Bayern ist im Archiv der Clubsite nicht zu finden. Klickt man auf das Logo von Siemens auf der FC-Bayern-Homepage gelangt man zu einer Internetseite, wo zwar die Partnerschaft zwischen dem Technologie-Riesen und dem Rekordmeister lang und breit thematisiert wird – inklusive irritierend breit grinsender oder gar ausflippender Bayern-Profis. Ein Hinweis auf „FC Bayern Pulse“ findet sich dort aber nicht.

Vielleicht wird die Kampagne aber in Kürze weit besser ausgerollt als bislang: Mit Anna-Lena Müller wurde eine PR-Verantwortliche des Konzernvorsitzenden von Volkswagen, Herbert Diess, nach München zu Siemens geholt. Sie soll der Kampagne mehr Bekanntheit verschaffen. Zu beneiden ist sie um diese Aufgabe nicht wirklich.

 

(Bildquellen: Siemens.com; Wolfgang Dirscherl/ Pixelio.de)

 

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