Rechtsexperte: „Tendenz zu Verbot privater Sportwetten-Anbieter

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer Entscheidung zum deutschen Glücksspielrecht für Aufsehen gesorgt. Die Interpretationen des Urteils fallen recht unterschiedlich aus, zum Teil völlig gegensätzlich. Ich habe für das Fachmagazin SPONSORs mit dem Glücksspielrechtsexperten Christian Mayer von der Kanzlei Noerr LLP gesprochen und ihn um Klärung gebeten.

Herr Mayer, die Interpretationen zum Urteil des EuGH sind ziemlich irritierend. West Lotto zum Beispiel vermeldete „EuGH bestätigt deutschen Glücksspielstaatsvertrag“, der Deutsche Sportwettenverband hält dagegen, dass im Gegenteil das „schleswig-holsteinische Regulierungsmodell bestätigt“ worden sei. Wer hat Recht?

Christian Mayer: Keiner von beiden. Der EuGH hat in seiner aktuellen Entscheidung weder über die Rechtmäßigkeit des deutschen Glücksspielstaatsvertrags geurteilt, noch haben die Richter den einstigen Sonderweg der Kieler Landesregierung mit ihrem eigenen Glücksspielgesetz bestätigt. Zu diesen Fragen hatte sich der BGH gar nicht an den EuGH gewandt.

Sondern?

Mayer: Es ging im Kern nur darum, ob das gegen die Firma Digibet ausgesprochene Verbot – das auf Grundlage des strengen Glücksspielstaatsvertrags verhängt wurde – wegen des gleichzeitig geltenden, liberaleren schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetz rechtswidrig sein kann. Die Richter waren der Meinung, dass die liberalen Regeln in Schleswig-Holstein zeitlich auf weniger als 14 Monate befristet und räumlich auf ein Bundesland begrenzt gewesen waren. In diesem Fall soll die Kohärenz der strikteren Glücksspielpolitik der anderen Länder nicht in Frage gestellt werden.

Mit anderen Worten war das Verbot der vom privaten Anbieter Digibet angebotenen Sportwetten mit EU-Recht vereinbar?

Mayer: Nein, darüber hat der EuGH nicht entschieden. Noch einmal: Der EuGH hat allein darüber geurteilt, ob das Kohärenzgebot durch die parallele Geltung von zwei unterschiedlichen Glücksspielgesetzen verletzt werden kann. Dass also in Schleswig-Holstein beispielsweise Online-Casino für lizenzierte Anbieter erlaubt und in den anderen 15 Bundesländern solch ein Angebot generell verboten war. Dadurch war das Kohärenzgebot wie gesagt nach Meinung der EuGH-Richter nicht verletzt. Die Frage, ob das Verbot des Digibet-Angebots rechtmäßig, genauer gesagt verhältnismäßig war, soll nun aber der BGH entscheiden.

Für die privaten Sportwetten-Anbieter müsste die Entscheidung so gesehen doch eine Enttäuschung darstellen – sie hatten im Vorfeld schließlich gehofft, der EuGH würde entscheiden, dass der Glücksspielstaatsvertrag aufgrund der in Schleswig-Holstein ausgegebenen Lizenzen für Online-Casino, Poker und Sportwetten für unvereinbar mit dem Kohärenzgebot sei.

Mayer: Das stimmt, diese Hoffnungen hat er nicht erfüllt. Das ist aber auch ein Punkt, der mich offen gesagt wundert: Der EuGH hat in seinem Urteil vor allem auch auf die mit 14 Monaten recht kurze Existenz des Kieler Glücksspielgesetzes und dessen räumliche Begrenzung auf nur ein Bundesland abgestellt. Dabei gelten die über 50 in Kiel ausgegebenen Lizenzen ja alle für sechs Jahre, also bis 2018. Darauf ist der EuGH in seinen Gründen nicht eingegangen. Das verblüfft, denn normalerweise stellt der EuGH in seinen Entscheidungen mehr auf die Lebenswirklichkeit ab und weniger auf das, was einmal war oder formal in den Gesetzen steht.

Ein Ansatzpunkt, um juristisch die Entscheidung des EuGH anzugreifen?

Mayer: Auch wenn man das noch genauer prüfen müsste, aber es sieht danach aus, ja.

Wie geht es nun weiter? Steht der Sportbusinessbranche weiter juristische Unsicherheit mit haufenweise gerichtlichen Verfahren bevor oder darf sie hoffen, dass der BGH das Verbot für unverhältnismäßig und damit für nicht rechtens erklärt?

Mayer: Aus dem damaligen Vorlagebeschluss des BGH an den EuGH im aktuellen Fall Digibet geht eine klare Tendenz hervor – pro Verbot von Angeboten wie jenen von Digibet und pro Glücksspielstaatsvertrag.

Keine guten Nachrichten für die Sportbusinessbranche also.

Mayer: Das bleibt abzuwarten. Schließlich wollen ja auch demnächst die Bundesländer über das hessische Innenministerium die ausgelobten Lizenzen für Sportwetten verteilen. Dann hätte sich die Sach- und Rechtslage schon wieder geändert. Bis dahin bleibt zu hoffen, dass sich die Entscheidung des EuGH nicht auf die aktuelle Vollzugspraxis der Behörden bis zur Erteilung der Konzessionen auswirkt.

Herr Mayer, vielen Dank für die Einschätzungen.

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2 Antworten auf “Rechtsexperte: „Tendenz zu Verbot privater Sportwetten-Anbieter”

  1. Viel Glück im neuen Jahr!

    Lesen Sie, welche Regelungen zu online Geldspielen in der Schweiz zum 01.01.2019 inkraft treten und wie die rechtliche Situation zu Glücksspielen im Internet derzeit in Deutschland aussieht.

    Gibt es bei uns einheitliche Regelungen? Was ist mit der Sonderrolle Schleswig Holsteins?
    https://twitter.com/SEO_Texte/status/1080504573201211393

    Haben Sie viel Glück auf allen Ihren Wegen –
    und zwar an jedem Tag in 2019!

    Herzliche Neujahrsgrüße aus der Journalistenwerkstatt
    .. mit einer Vorschau auf Diäten und kommende Projekte

Trackbacks and Pingbacks

  1. Glücksspielbranche nutzt EuGH-Urteil für PR - 13. Juni 2014 at 17:49

    […] Anwalt Christian Mayer in einem Interview für Sponsors.de im Detail erklärte (siehe hier), hatte sich der EuGH überhaupt nicht mit den Fragen beschäftigt, ob der […]

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