Glücksspielbranche nutzt EuGH-Urteil für PR

Die Glücksspielbranche hat diese Woche ein Lehrstück hingelegt wie man ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) für seine jeweils eigenen Interessen auslegen kann. Während das Lager der staatlichen Lottogesellschaften tönte, der Glücksspielstaatsvertrag sei durch den EuGH in seiner Rechtmäßigkeit bestätigt worden, hielt die Gegenseite, die privaten Sportwettenanbieter, dagegen, mit dem Urteil sei das weitaus liberalere Glücksspielgesetz von Schleswig-Holstein bestätigt worden. Beides ist schlicht Mumpitz.Wie mir der auf Glücksspielrecht spezialisierte Anwalt Christian Mayer in einem Interview für Sponsors.de im Detail erklärte (siehe hier), hatte sich der EuGH überhaupt nicht mit den Fragen beschäftigt, ob der Glücksspielstaatsvertrag oder das davon abweichende schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz rechtens ist.

Worum es tatsächlich ging, ist etwas komplexer (wie gesagt: siehe hier) und deswegen vielleicht auch schnell eine Überforderung des ein oder anderen Journalisten, die gerne jede Thematik auf eine möglichst simple Aussage runterbrechen und verkürzen – weil die Leser es ja sonst nicht lesen, da nur das, was schnell verdaubar ist, auch gelesen wird. So die zumeist (zu) einfache Rechnung. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum auch eigentlich unabhängige Medien den Mumpitz von der angeblichen Bestätigung des Kieler Glücksspielgesetzes aufgriffen.

Vermutlich weil sie wissen, dass die meisten Redaktionen mit einem derart komplexen Thema wie dem Glücksspielrecht (auch ich muss mir selbst nach fast fünf Jahren intensiver Beschäftigung immer wieder etwas erklären lassen) überfordert sind, waren die Lottogesellschaften sowie die privaten Sportwettenanbieter schnell mit Interpretationen zu Diensten. West Lotto zum Beispiel verkündete in einer Pressemitteilung: „EuGH bestätigt deutschen Glücksspielstaatsvertrag“

Der Deutsche Sportwettenverband (ein Interessensverband privater Sportwetten-Anbieter) suchte die Interpretationen von West Lotto in seiner Pressemitteilung zu konterkarieren; unter anderem mit der folgenden Aussage von Wolfram Kessler, Vizepräsident des DSWV: „Das Urteil stärkt den Schleswig-Holsteinischen Sonderweg. Dessen Koexistenz neben dem Glücksspielstaatsvertrag wurde nun höchstrichterlich bestätigt. Zudem wird die Rechtmäßigkeit der 48 bestehenden Sportwetten- und Casinolizenzen bekräftigt.“ Wo im EuGH-Urteil der Herr Kessler diese Infos entnommen hat, bleibt schleierhaft, wenn man sich die Pressemitteilung des EuGH durchliest.

(Bildquelle: birgitH / pixelio.de)

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  1. Rechtsexperte: „Tendenz zu Verbot privater Sportwetten-Anbieter - 13. Juni 2014 at 17:51

    […] Mayer, die Interpretationen zum Urteil des EuGH sind ziemlich irritierend. West Lotto zum Beispiel vermeldete „EuGH bestätigt deutschen Glücksspielstaatsvertrag“, der […]

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