Aufgeschnappt: Sportler sind keine Vorbilder

Etwas zum Thema Testimonial-Werbung mit Sportlern: Gunter Gebauer, Professor für Philosophie und Sportsoziologie an der Freien Universität Berlin, hat in einem Essay die These aufgeworfen, dass Sportler keine Vorbilder sind. Er begründet diesen Widerspruch zur landläufigen Meinung recht einleuchtend und wirft damit indirekt auch die Frage auf, warum eigentlich Jahr für Jahr Millionensummen in die staatliche Spitzensportförderung gesteckt wird und ob Sportler wirklich die richtige Wahl für eine Testimonial-Werbung sind. In seinem Essay, der auf Zeit Online erschien, führt Gebauer zunächst die sonst übliche Argumentation auf, das für die staatliche Sportförderung in Deutschland genutzt wird: „Erfolge im Spitzensport motivieren die Deutschen angeblich zur Nachahmung, von den Spitzensportlern übernehmen sie angeblich die Werte des Fairplay und der Persönlichkeitsbildung.“

Dann widerspricht der Wissenschaftler jedoch vehement dieser These: Jugendliche würden nur noch jene Sportarten betreiben, in denen Deutsche auch Erfolg haben. Es müsste demnach ein Herr an Bob-Fahrern oder Biathleten geben. Dass dem in der Realität nicht so ist, erklärt sich Gebauer damit, dass Erfolge das Interesse an der jeweiligen Sportart nur kurzfristig ansteigen lässt.

Wichtiger sei „die exzellente Arbeit von Trainern, Vereinen und Leistungszentren“, durch die Jugendliche für den Sport gewonnen würden. Im Turnen und Skifahren habe es lange Zeit keine erfolgreichen Athleten gegeben, dennoch würden sie von sehr vielen Deutschen betrieben. Dieses Interesse sei in langfristig ausgebildeten Lebensstilen, Freizeitvorlieben und Körpereinstellungen fundiert.

Genau hier könnte sich die Schwachstelle in Gebauers Argumentation verbergen, schließlich lässt sich einwenden, die Vorstellungen eines nachzuahmenden Lebensstil und auch die in der Gesellschaft verbreitete Einstellung zum eigenen Körper wird maßgeblich von Sportlern in den Medien beeinflusst. Dass durch alle Gesellschaftsschichten und Berufe, egal ob Schriftsteller, Manager oder Hausfrauen seit vielen Jahrzehnten mehrheitlich auf die Fitness des eigenen Körpers geachtet wird und sich teilweise fast sklavenhaft dem Diktat vom makellosen, gestählten Äußeren unterworfen wird, hat seinen Ursprung im Sport. Dem erfolgreichen, schönen Sportler wird nachgeeifert.

Sportler muss sich verkaufen für die Medien

Dennoch kann man sich Gebauers Argumentation anschließen, wenn er schreibt, dass nicht allein jene Athleten berühmt werden, die sich aufgrund ihrer Persönlichkeit zum Vorbild für die Jugend eignen. Und er kritisiert – nicht zu Unrecht – die Rolle der Medien an: „Popularität erhalten Sportler und Sportlerinnen erst dann, wenn sie in den Medien eine Rolle spielen und diese wirkungsvoll ausfüllen.“ So verdiene ein Sportler erst dann viel Geld, wenn er für Werbung, Vereine, für das Fernsehen als „sexy“ gilt. „Seine Präsenz muss zu einem Event werden.“

Dies jedoch funktioniere nur selten „ohne die Bereitschaft des Athleten, sich dem allgemeinen Voyeurismus hinzugeben. Aus der ursprünglich privaten Existenz wird ein Leben im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, das mit zunehmendem Alter in die Karriere eines Partygängers konvertiert wird. Das Interesse gilt dann der neuen Freundin des ehemaligen Jungstars oder dem Schicksal der früheren Schwimmqueen, die sich von ihrem Lebenspartner vor dem Gefängnistor verabschiedet.“

Gradwanderung zwischen Show und Glaubwürdigkeit

Für die Testimonial-Werbung bedeutet dieser Gedanke: Ohne Show und Selbstinszenierung keine Bekanntheit und nur geringe Chancen auf eine Vermarktung. Da helfen auch sportliche Erfolge nicht weiter, sie sind nur die Basis für die Selbstinszenierung. Jedoch können Show und Selbstinszenierung ganz schnell die Glaubwürdigkeit des Sportlers und seine Eignung als gutes Vorbild zerstören. Was letzten Endes die werbenden Unternehmen nicht freut und die Chancen einer erfolgreiche Vermarktung verringert.

Natürlich gibt es auch zu dieser These Gegenbeispiele: So wurde ja etwa jüngst sogar Lothar Matthäus, der jahrelang verbissen sein Image und seine vermeintlich irgendwann mal vorhandene Vorbildfunktion ruiniert hat, aktuell einen Vertrag für Testimonial-TV-Werbung abgeschlossen. Aber so etwas zeigt nur, dass Vermarkter und Sponsoren oft einfach null Ahnung zu haben scheinen, dass die Attribute „Sportler“ und „bekannt“ nicht gleich „gut“ bzw. „als Werbeträger geeignet“ heißen muss.

(Bild: Dieter Schütz  / pixelio.de / bearbeitet von T. Kuske)

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