Neuer Ansatz für ein Klubmuseum: In der Haut eines Profis

Der VfL Wolfsburg setzt mit seinem neuen Vereinsmuseum Maßstäbe in puncto Interaktivität. Dank moderner Technik können Fans diverse Stationen aus der Sicht eines Spielers durchlaufen. Die Niedersachsen befolgen damit die Maxime, den Fans ein echtes Erlebnis zu bieten.*

Nun hat auch der VfL Wolfsburg ein Vereinsmuseum. So weit, so uninteressant. Spannend wird es, wenn man sich anhört, was VfL-Kapitän Diego Benaglio dazu sagt und vor allem warum: „Ich war von Beginn an vom Konzept der VfL-FußballWelt begeistert.“ Was Benaglio so freut, ist der rote Faden, der sich durch die VfL-Austellung zieht. Die Niedersachsen versuchen, den Traum vieler Fans, selbst Profi in der Bundesliga zu sein, so real wie nur möglich werden zu lassen. In der VfL-FußballWelt kann jeder Besucher in die Haut eines VfL-Spielers schlüpfen und diverse Situationen im Leben eines Profis durchlaufen.

So etwa bei der Station „Halbzeit“, wo sich der Besucher auf eine Umkleidebank vor Kabinenspinden setzt, bevor dann gegenüber auf einer Leinwand eine Videosequenz mit Naldo und Maximilian Arnold beginnt. Dank der Blue-Screen-Technik sieht es für den Besucher so aus als würde er in der Umkleidekabine des VfL sitzen, umringt von den beiden Profis in ihren grün-weißen Trikots und Stollenstuhen. Und man hat sogar das Gefühl, plötzlich direkt von den Beiden angesprochen und gelobt zu werden: für ein „super Tor im ersten Spiel! Wahnsinn!“

Die Station „Halbzeit“ ist wohl eine der gelungensten der VfL-FußballWelt, wo moderne Technik die Grenzen von Virtualität und Realität verschwimmen lässt. Aber auch bei den anderen 16 Stationen wurde viel Kreativität investiert. Zusammen mit der Agentur Erlebniskontor haben zehn Mitarbeiter des VfL zweieinhalb Jahre an der 800 Quadratmeter großen Ausstellung gearbeitet – und bei der Suche nach Ideen auch bei anderen Ausstellungen vorbeigeschaut, etwa beim National Football Museum in Manchester.

Der erste Teil der Wolfsburger Erlebniswelt wirkt wie ein herkömmliches Fußballmuseum. Rund 70 Exponate gewähren Einblicke in die Klubhistorie. Darunter: Die Meisterschale von 2009, die jedoch nicht wie sonst üblich in einer Glasvitrine präsentiert wird, sondern in den Armen einer lebensgroßen Statue des 2009er-Mannschaftskaptitäns Josué frei zugänglich ist. „Die Besucher können und sollen die Schale anfassen“, sagt Christian Kornprobst, Leiter der VfL-FußballWelt. Die Meisterschale zum Anfassen sei die erste Station, die die Ausstellung zu einem besonderen Erlebnis machen soll. „Wir wollen, dass sich der Besucher als Teil des VfL sieht“, sagt Kornprobst. Am ehesten funktioniert das bei den interaktiven Stationen, die nach dem musealen Teil folgen und deutlich mehr Raum einnehmen.

VfL-Wolfsburg-Fusballwelt_Pressekonferenz_kleinerLos geht es damit, dass der Besucher seinen Namen in einen Terminal eintippt und dann mithilfe der Blue-Screen-Technik von VfL-Manager Klaus Allofs als neu eingekaufter Spieler präsentiert wird (siehe Foto mit mir als “Neuzugang”; Anmerkung d. Verf.).

Bei ein paar nachfolgenden Stationen ist sogar Schwitzen angesagt. Etwa beim Ball-Jonglieren oder einem Reaktionstest. Hier kann der Besucher zeigen, was er drauf hat und sich mit den erzielten Werten der VfL-Profis messen, die die Übungen ebenfalls absolviert haben. Mithilfe eines Chips in einem Armband werden die Leistungen abgespeichert und können nach dem Besuch mit denen von Freunden verglichen werden. Online und ohne weitere Kosten als der Eintritt von neun Euro für Erwachsene oder sechs Euro für Kinder.

Ebenfalls online für sieben Tage abrufbar sind die aufgenommenen Videosequenzen. Etwa die mit Naldo und Arnold in der Station „Halbzeit“. Oder das „TV-Interview“, bei dem der Besucher vor Kamera und Mikrofon auf die Frage antworten soll, was es für ein Gefühl sei, in der Nachspielzeit den Siegtreffer zu erzielen. „Hier kann der Besucher selbst erleben, dass zweimal 15 Sekunden frei zu sprechen nicht ohne ist“, erklärt Kornprobst den Sinn der Übung.

Eine besondere Dreingabe für Fans dürfte zudem die eigene VfL-Autogrammkarte sein (siehe Foto mit mir als Spieler auf der Autogrammkarte, die in puncto Design genau wie die der VfL-Wolfsburg-Fusballwelt_Autogrammkarte_kleinerProfis aussieht). Diese kann der Besucher vor Ort ausdrucken und ebenfalls bis zu sieben Tage später online abrufen.

In einem grün-weißen Klassenzimmer können zudem Workshops für bis zu 30 Schüler der Klasse zwei bis acht unter der Leitung eines Pädagogen des VfL durchgeführt werden. Innerhalb von 90 Minuten sollen den Kindern mit Bezug zum Fußball Bildungsinhalte wie Ernährung oder Werte und Normen näher gebracht werden. Damit versucht der VfL seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen.

Wie hoch die Kosten für all das ausfielen, wird nicht verraten. Nur so viel ist bekannt: Die Wolfsburg AG investierte als Public-Private-Partnership der Stadt Wolfsburg und der Volkswagen AG insgesamt 26,8 Millionen Euro für eine Reihe an Neubauten nordöstlich der Volkswagen Arena, die der VfL als Mieter nutzt. Dazu zählen neben der VfL-FußballWelt, ein dreistöckiges Funktionsgebäude mit dem Namen VfL-Center, ein beheizbarer Trainingsplatz sowie das 5200-Zuschauer fassende AOK Stadion, wo unter anderem das Frauenteam kickt.

Die Mühen und Kosten haben sich gelohnt, finden die Verantwortlichen: „In unserer Ausstellung steht der Besucher im Mittelpunkt des Geschehens“, sagt VfL-Geschäftsführer Thomas Röttgermann „Das ist absolut einzigartig in der Bundesliga.“ Ähnlich sieht es Alexandra Wiemann von der Agentur Erlebniskontor, die sonst an Projekten abseits des Sports wie etwa der Umgestaltung des Zoos Hannover arbeitet. „Der VfL hat einen neuen Weg beschritten, der ein markantes Alleinstellungsmerkmal verschafft. Allein das wird in der Fußballbranche mit Sicherheit für Aufsehen sorgen.“

Tatsächlich haben sich schon einige Bundesligisten in Wolfsburg umgesehen, vielleicht um es den Niedersachsen nach zu machen. Davor warnt Wiemann allerdings: „Man sollte nicht den Fehler machen zu glauben, dass das, was für den einen Klub funktioniert, auch für den eigenen funktioniert. Dafür sind die Rahmenbedingungen zu verschieden und sicherlich auch die Vorstellungen, was im Vordergrund einer Vereinsdarstellung stehen soll.“

Für den VfL wird sich die neue Ausstellung ganz sicher in puncto Fan-Loyalität und Zugewinn neuer Fans lohnen. Was sich dann wieder durch mehr Absatz beim Merchandising und Ticketverkäufen bemerkbar machen dürfte. Direkte Mehreinnahmen wird der VfL unbestätigten Informationen zufolge mit der Ausstellung zunächst aber nicht generieren. Dafür ist der Aufwand und die Kosten bei Personal und Ausstattung zu hoch. Insbesondere für sogenannte Traditionsklubs, die bereits über eine große und loyale Fanbasis verfügen, ist das sicher ein wichtiger Aspekt bei der Frage, ob man es dem VfL nachmachen sollte.

Einen kleinen Eindruck von den Räumlichkeiten und ein paar der interaktiven Stationen (jedoch ohne die mit der Blue-Screen-Technik!) gibt das folgende Video:

* Dieser Text erschien in einer etwas modifizierten Version im Sportmagazin “Kicker”.

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