Sportverbände und ihre Orga-Strukturen – Teil 2

Viele Sportverbände leiden unter zu viel Interpretationsspielraum in ihren Satzungen und ihrem Verbandszweck, auch wenn sie es vielleicht selbst nicht so wahrnehmen. Das ist aber nur eines der Probleme, mit denen sich Sportverbände heutzutage auseinandersetzen müssen. Im nachfolgenden zweiten Teil meiner Analyse zum Reformbedarf der deutschen Sportverbände gehe ich zudem auf den grundsätzlichen Bremsklotz Mehrstufigkeit und Förderalismus ein und zeige Ansätze zu effektiveren Strukturen auf, inklusive der Verschiebung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verantwortung nach Paragraf 26 BGB vom ehrenamtlichen Präsidium zum hauptamtlichen Vorstand.

Selbst mit kompetenter Beratung und hoher Transparenz in den Entscheidungsprozessen bleibt eine Strukturreform eines Sportverbands eine Mammutaufgabe. Ein kritischer Aspekt ist beispielsweise, dass Zwecke und Zielsetzungen der Verbandsarbeit in der Satzung wenig konkret festgelegt sind und somit Interpretationsspielräume hinsichtlich der grundlegenden Ausrichtung

der Verbandsarbeit bestehen. Um das konkrete Beispiel DOSB heranzuziehen: In der Satzung des DOSB ist der Zweck und die Aufgaben des Verbandes festgelegt, nur hat sich der DOSB per Satzung gleich einer dermaßen großen Anzahl an Aufgaben verschrieben, dass es schwer fällt, alle gleich zu berücksichtigen. Dadurch ist es geradezu vorprogrammiert, dass im Verband zu fast allen fachlichen und überfachlichen Themenbereichen unterschiedliche Auffassungen bestehen. Auf die einfache Frage, wofür sich der DOSB einsetzt, gibt es keine einfache Antwort.

Dementsprechend differieren die Meinungen im DOSB, was nun Priorität hat, teilweise ganz erheblich. Laut Satzung sollen sowohl der Breitensport als auch der Spitzensport gefördert werden. Das sind aber zum Teil völlig verschiedene Themen, die bei der Zuordnung der staatlichen Zuschüsse miteinander sogar konkurrieren können. Und während einzelne Fachverbände wie etwa die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft den Leistungssport klar priorisieren, betonen andere Fachverbände im DOSB sehr wohl die Bedeutung des Breitensports. So muss es fast zwangsläufig zu latenter Auseinanderentwicklung und verbandsinternen Kontroversen kommen.

Vielleicht sollte der DOSB daher vor einer Strukturreform erst einmal über eine Überarbeitung seiner Satzung nachdenken, insbesondere beim Verbandszweck. Das setzt natürlich eine offene Diskussion voraus, um eine Veränderung hin zu einer neuen, ausformulierten und damit bewussten und für alle erkennbaren Schwerpunktsetzung auf eine tragbare Basis zu stellen.

Mehrstufigkeit und Föderalismus

Einfach wird das nicht, denn natürlich hat ein Fachverband wie zum Beispiel der Deutsche Basketball-Bund andere Interessen als ein Landesfachverband wie der Niedersächsische Basketball-Verband. Und der Landesverband hat wieder andere Interessen und Nöte als die regionalen Vertreter wie etwa die Stadt- oder Kreissportbünde. Diese Mehrstufigkeit der deutschen Sportlandschaft ist ein großes Problem für Reformvorhaben. Keinesfalls dürfen Bundesfachverbände und die anderen Mitglieder des DOSB den Fehler machen, von oben herab ohne Einbeziehung aller Ebenen Reformen zu beschließen. Eine Blockadehaltung durch die unteren Ebenen wäre dadurch garantiert.

Genauso muss auf die länderspezifischen Bedürfnisse in den einzelnen Verbänden Rücksicht genommen werden. Denn dank des Föderalismus gibt es ja jeden Landesfachverband immer in 16-facher Ausfertigung. Hinzukommen die 16 Landessportbünde, die sich zwar alle für den Breitensport einsetzen, aber dennoch untereinander differierende Interessen haben können.

Mit dieser Grundproblematik wird der DOSB wohl alle Zeit leben müssen. Dennoch könnten zumindest die 19 Olympiastützpunkte (OP), die derzeit nur zum Teil den Landessportbünden zugeordnet sind, als stimmberechtigte Mitglieder im DOSB aufgenommen werden. Dadurch wäre einerseits mehr Kontrolle der OP durch die DOSB-Führung möglich, andererseits würde sich die Chance erhöhen, dass Reformbemühungen etwa bei der Spitzensport-Förderung mehr von den OP getragen und mitgestaltet werden.

Gremien abschaffen und verkleinern

Wie man eine Reformstruktur erfolgreich durchführt, hat der LSB NRW vor ein paar Jahren vorgemacht. Ein Mittel hieß dabei: Verkleinerung. Das ursprünglich 18-köpfige Präsidium wurde auf sechs Personen runtergekürzt, die Anzahl der Gremien reduziert. Gabriele Freytag von der Führungs-Akademie des DOSB, die den LSB NRW beim Reformprozess beraten hat, erinnert sich, dass es natürlich „ein Kampf war, die Gremien zu verkleinern“. Welcher Ehrenamtliche möchte schon gern auf einen Sitz in einem Präsidium verzichten? Oft stehen auch historisch gewachsene Sonderrechte von einzelnen Mitgliedern im Weg.

Um wieder auf das Beispiel DOSB zurückzukommen: Von außen betrachtet macht es wenig Sinn, dass die Deutsche Sportjugend einen Sitz im Präsidium des DOSB hat. Die Rechte der Sportjugend können auch anders abgesichert werden, etwa über die Verbandssatzung. Da es sich allgemein als sinnvoll für eine effektive Arbeitsweise erwiesen hat, Führungsgremien klein zu halten, müsste man dem DOSB dazu raten in seinen Gremien Streichungen vorzunehmen. Der Sitz der Sportjugend wäre nur die erste Streichung. Auch der Sitz der Vizepräsidentin für Frauen und Gleichstellung, derzeit durch Ilse Ridder-Melchers besetzt, könnte mit Verweis auf die Wichtigkeit des Themas in der Satzung aus dem Präsidium gestrichen werden.

Dass man sich damit wenige Freunde machen würde, ist genauso anzunehmen wie das vermutlich mit einer Zusammenlegung der Präsidialausschüsse und Beiräte des DOSB der Fall wäre. Wobei auch das im Sinne einer effektiveren Arbeitsweise dringend nötig erscheint, da die aktuelle inhaltliche Doppelung etwa des „Präsidialausschusses Leistungssport“ und des „Präsidialausschusses Breitensport/Sportentwicklung“ mit dem „Beirat Leistungssportentwicklung“ und „Beirat Sportentwicklung“ auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar ist (siehe dazu Grafik „Organigramm des DOSB und Reformvorschläge“). DOSB-Generaldirektor Michael Vesper sagt dazu gegenüber SPONSORs: Eine Verkleinerung von Gremien habe es bereits 2006 bei der Fusion des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees gegeben. Nun gelte es, die Strukturen weiter zu optimieren und dabei die jeweiligen Zuständigkeiten klar zu definieren. Konkreter wird Vesper nicht. „Wir sind da derzeit auf einem guten Weg. Trotzdem wird man Überschneidungen nie ganz ausschließen können.“

Das mag sein, jedoch drängen sich schon länger gewisse Änderungen im Sinne einer größeren Klarheit bei der Aufgabenverteilung geradezu auf. Zuletzt ließ die Vizepräsidentin für Leistungssport, Christa Thiel, aufhorchen, als sie verkündete, dass sie nicht mehr im DOSB-Präsidium mitmachen wolle. Die Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes nutzte die Ankündigung für den hörbar verschnupften Hinweis auf den engen Spielraum für Entscheidungen im DOSB-Amt: „Im Grunde wird der Job auch vom Präsidenten und vom Generaldirektor wahrgenommen. Da bleibt nicht viel.“

Schaut man sich die Verbandssatzung des DOSB an, fällt auf, dass keine klare Aufgabenverteilung nachzulesen ist. Stattdessen steht bei den Aufgaben des Präsidiums die sehr vage Formulierung: „Die Entscheidung in allen Angelegenheiten, soweit sie die Satzung nicht der Mitgliederversammlung oder einem anderen Gremium zuweist“. Das eröffnet viel Spielraum für Interpretationen, was wiederum zu Unsicherheiten bei der Ansprache, Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten führt.

Wenn diese Unsicherheit schon bei Mitgliedern des DOSB besteht, so darf es nicht verwundern, dass Außenstehende noch weniger die Aufgabenverteilung durchschauen. Auch bei anderen Themen als der Förderung des Spitzensports. So meint etwa der Geschäftsführer der Vermarktungsagentur Sportfive, Philipp Hasenbein:„Sponsoren spiegeln uns, dass es für sie unklar ist, wer das Olympiateam und seine Athleten vermarktet und Ansprechpartner diesbezüglich ist.“ Ärgerlich, weil sich diese Unklarheit in der Konsequenz sicher wenig förderlich auf die Erlöse aus der Vermarktung auswirken könnte.

Zumindest zum Thema Leistungssport bietet sich eine Lösung an: Wenn Präsident Hörmann sich zusammen mit dem aktuellen Direktorium ausreichend um die dazu anfallenden Aufgaben kümmern kann, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass man den Leistungssport gleich dem Präsidenten zuweist und den „Vizepräsidenten/in Leistungssport“ abschafft. Dies wäre eine weitere Maßnahme für einer Verkleinerung des aktuell 10-köpfigen DOSB-Präsidiums.

Verschiebung der BGB-Verantwortung

Aber nicht nur bei der Reduzierung der Gremien kann sich der DOSB beim LSB NRW etwas abschauen. Auch bei rechtlichen Fragen kann der reformierte Landessportbund als Vorbild dienen. Und wie zu hören ist, will er das, sofern die Mitgliederversammlung im Dezember zustimmt, auch tun: Die rechtliche und wirtschaftliche Haftung und Verantwortlichkeit nach § 26 BGB soll vom ehrenamtlichen Präsidium auf einen hauptamtlichen Vorstand übergehen. Dafür soll es zudem eine klarere Trennung zwischen Direktorium und Präsidium geben. Denn bisher sitzt Generaldirektor Vesper auch im Präsidium des DOSB. Künftig soll es ein gewähltes Präsidium geben, dass für die strategische Steuerung und Kontrolle des hauptamtlichen Vorstands – mit Michael Vesper als Vorstandsvorsitzenden – zuständig ist.

Das mag vielleicht nach Kleinkram klingen, ist es aber nicht: Beim LSB NRW hat sich diese Verschiebung der BGB-Verantwortung „als ungeheuer wertvoll“ erwiesen, berichtet der LSB-Vorstandsvorsitzende Niessen. Auch sei durch die Satzungsänderung mehr Klarheit in die Aufgabenverteilung zwischen Präsidium und Vorstand eingezogen. Das Präsidium muss sich längst nicht mehr mit so vielen operativen Einzelfragen beschäftigen wie noch davor. In der neuen Satzung ist klar geregelt, wann der Vorstand sich bei operativen Geschäften an das Präsidium wenden muss und wann nicht. Zum Beispiel muss das Präsidium laut Satzung Einzelgeschäfte über 100 000 Euro genehmigen. Vergleichbare Regelungen kennt man im Übrigen von Bundesligaclubs wie dem FC St. Pauli.

Insgesamt, so Niessen, habe der Vorstand beim LSB NRW nach der Reform mehr Entscheidungskompetenz, was schnelleres Handeln ermöglicht, und das Präsidium „hat mehr den Kopf frei für das große Ganze und Strategische“.

Es bleibt zu hoffen, dass auch das DOSB-Präsidium um Alfons Hörmann und all die anderen Sportverbände mit Reformbedarf einen freien Kopf behalten und angesichts der Fülle an Hürden auf dem Weg zu einer Strukturreform den hoffentlich vorhandenen Tatendrang nicht verlieren.

(Dieser Text ist zusammen mit Teil eins als Titelthema der aktuellen Ausgabe von SPONSORs erschienen. Das DOSB-Präsidium ist gerade dabei, die für die nächste Mitgliedervollversammlung im Dezember zu beschließenden Satzungsänderungen auszuarbeiten und dafür Mehrheiten in den verschiedenen Ebenen des DOSB zu gewinnen. Ein Folge-Artikel mit dem aktuellen Stand ist bereits in Arbeit und wird in der kommenden August-Ausgabe von SPONSORs erscheinen.)

Text mit jemandem teilen? Dann... Email this to someoneTweet about this on TwitterShare on FacebookShare on Google+

Trackbacks and Pingbacks

  1. Deutschlands Sportverbände: Es ist Zeit für Reformen - 15. Juli 2014 at 13:28

    […] 2 des Artikels gibt es hier zu lesen (mehr als diesen ersten Text-Brocken wollte ich dem geneigten Leser nicht auf einmal […]

Hinterlasse eine Antwort

Required
Required
Optional

XHTML: Du kannst diese Elemente nutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>