Mit Streams aus dem Dilemma

Die TV-Sender zeigen vor allem: Fußball. Andere Sportarten haben es schwer. Einige Ligen und Verbände suchen ihr Heil deswegen in selbst produzierten Bildern und Streams im Internet. Wenn die TV-Sender nicht von sich aus wollen, kommen sie vielleicht durch Eigenproduktion doch noch auf den Geschmack. Ein Bericht zum Status quo. *

TTBL-TV Foto kleinerFußball, Fußball, Fußball – für andere Sportarten ist wenig oder gar kein Platz im Fernsehen. Sogar Handball, immerhin die zweitbeliebteste Mannschaftssportart der Deutschen, musste bei Sport1 in dieser Saison vom seit Jahren angestammten Sendeplatz am Dienstagabend weichen: Der Sender erhofft sich durch Regionalliga-Fußball höhere Einschaltquoten als mit dem Top-Spiel der Woche aus der DKB Handball-Bundesliga (HBL). Viertklassiger Fußball statt erstklassiger Handball also.

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall und die Handballer stehen vergleichsweise noch gut da, denn immerhin zeigt Sport1 rund 60 Live-Spiele der HBL, wenn auch nicht mehr am Dienstagabend. Andere Sportarten haben es oft weitaus schwerer, überhaupt im Fernsehen gezeigt zu werden. Es sei denn, die Olympischen Spiele finden statt. Dann sehen sich Millionen Deutschen auf einmal wieder Beach-Volleyball bei ARD oder ZDF an. Oder Fechten. Oder Hockey. Die Liste der Sportarten, die nur alle vier Jahre eine große TV-Präsenz haben, lässt sich leicht vergrößern.

Sehr zum Verdruss der Verantwortlichen in den Verbänden und Ligen. Denn geringe TV-Präsenz ist schlecht. Sie bedeutet weniger neue Fans. Und weniger Geld von Sponsoren.

Änderung der Regeln eine Möglichkeit, um mehr Zuschauer zu gewinnen

Um das zu ändern und sichtbarer zu werden, wird fieberhaft nach neuen Wegen gesucht. Einige Sportarten versuchen sich mit einer Änderung ihrer Regeln attraktiver fürs Fernsehen zu machen. So etwa Tischtennis, wo größere und damit langsamere Bälle und kürzere Gewinnsätze eingeführt wurden. Oder Hockey, wo ab September bei internationalen Spielen nicht mehr zweimal 35 Minuten gespielt werden soll, sondern viermal 15 Minuten. Zudem soll es 40-sekündige Auszeiten nach Toren und Strafecken geben – damit die Sender Werbung einschieben können.

Neue Regeln reichen aber nicht. Das weiß auch Nico Stehle, der als Geschäftsführer der Tischtennis Bundesliga (TTBL) in erster Linie auf das Thema Eigenproduktion von Bewegtbildern setzt: Die TTBL zeigt seit der Saison 2012/13 alle Spiele live per Internet-Stream. Seit dieser Saison gibt es zudem eine kommentierte Live-Konferenz. Jeden Sonntag ab 15 Uhr. Und das „Spiel der Woche“ wird im TV-Standard mit zwei bis drei Kameras in HD-Qualität gedreht. Ein enormer Aufwand mit entsprechenden Kosten. Für Stehle ist das aber alternativlos: „Wir müssen das Produkt TTBL entwickeln, noch attraktiver machen“, erklärt der TTBL-Chef. Erst dann würden sich mehr Menschen für die TTBL interessieren und die Sender seien geneigter, mehr Tischtennis zu zeigen.

Tatsächlich kann Stehle bereits erste Erfolgen vermelden: Auf der Videoplattform TTBL.tv habe man über eine halbe Million Aufrufe pro Monat und die TV-Präsenz bei den Öffentlich-Rechtlichen sei dank der vorproduzierten Bilder gestiegen. Natürlich hofft er auf mehr. Mittels der Eigenproduktion. Denn einen anderen Weg sieht er momentan nicht. Sendeplätze etwa bei Sport1 einzukaufen, sei keine Option. „Das ist für uns finanziell noch nicht möglich.“

Volleyballer investieren massiv in Eigenproduktion

Einen ähnlichen Weg wie die TTBL geht die Deutsche Volleyball-Liga (DVL). Auch hier heißt das Zauberwort: Eigenproduktion. Zusammen mit GIP Media Productions werden pro Jahr 40 Top-Spiele in HD-Qualität mit drei Kameras plus einer Interviewkamera live per Stream auf DVL-live.tv gezeigt. Marc Wittmann, Leiter Marketing DVL, berichtet von bis zu 80 000 Aufrufen pro Spiel und dass „vor allem die vielen Regionalsender gern Bilder von uns in ihr Programm integrieren“.

Die Kosten versucht die DVL wie auch die TTBL über Werbepartner zu stemmen. Zudem werden die selbst produzierten Bewegtbilder an Sportwettenfirmen verkauft, die damit ihre Internetseiten aufpeppen und ihren Wettumsatz ankurbeln.

Ein Möglichkeit: Kosten drücken durch günstige freie Mitarbeiter

Trotzdem bleibt die Finanzierung ein schwieriges Unterfangen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) versucht die Kosten der selbst produzierten Bilder für sein Videoportal Leichtathletik.tv dadurch überschaubar zu halten, indem man sich nicht wie die Volleyballer von einer Produktionsfirma helfen lässt, sondern mit freien Mitarbeitern zusammenarbeitet, die der Leichathletik nahe stehen – und sich daher wohl auch mit geringeren Entschädigungen zufrieden geben. Silke Bernhart, Projektleiterin von Leichtathletik.tv, gibt zwar zu, dass sie „mit einem geringen Budget“ auskommen müssen. Trotz der begrenzten Möglichkeiten habe man erste Erfolge: Der Livestream von den Deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften Mitte Februar, der erstmals kommentiert wurde, habe alle bisherigen Rekorde gebrochen. Über 16 000 unterschiedliche IP-Adressen hätten zugegriffen.

Zugriffszahlen noch überschaubar

Das klingt nicht nach sonderlich viel. Bedacht werden muss aber, dass dank eines TV-Vertrags die öffentlich-rechtlichen Sender bei den größeren Wettkämpfen wie dem ISTAF in Berlin selbst vor Ort sind, Bilder produzieren und diese vor allem in den Dritten Programmen zeigen. Einen Live-Stream darf der DLV vertraglich dann nicht anbieten.

Diese ersten Erfolge machen Mut. Der DLV will wie die TTBL, die DVL und viele weitere Verbände und Ligen weiter auf Eigenproduktionen setzen. Auch wenn die Zugriffszahlen noch vergleichsweise niedrig erscheinen und die Finanzierung schwierig bleibt.

Mehr zum Thema Eigenproduktion gibt es am 27. Mai in Köln. Dann treffen sich Sportrechtehalter, Medien und Sponsoren beim Sponsors Sports Media Summit 2014 im Congress-Centrum Nord der Koelnmesse, um über Themen zu sprechen, die relevant sind beim Zusammenspiel von Sport und Medien: Unter anderem Social Media, Second Screen, E-Commerce oder Online-Marketing.

* Dieser Text wurde in der gestrigen Montagsausgabe des Sportmagazins “Kicker” veröffentlicht.

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