Exklusiv-Interview mit Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium

Ministerialdirektor Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium (BMI), ist für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ein überaus wichtiger Mann: Böhm sitzt am Verhandlungstisch, wenn es um die Zuteilung von Staatsgeldern aus seinem Ministerium für die Förderung des Spitzensports geht. Im Jahr 2013 flossen dafür insgesamt über 130 Millionen Euro. Zuletzt hatte es zwischen BMI und DOSB hörbare Verstimmungen gegeben – auch wegen einer Forderung des DOSB nach mehr Fördergeldern. Durch die Wahl des DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann erhofft sich Böhm neue Impulse.

Das nachfolgende Interview wurde so noch nicht veröffentlicht, daher auch in der Überschrift der Hinweis, dass es hier exklusiv zu lesen ist. Lediglich Aussagen zur Sportförderung wurden im Titelthema der aktuellen SPONSORs-Ausgabe integriert. Darin zu lesen ist auch die Kritik aus den Reihen des DOSB an Böhms nachfolgenden Aussagen. Denn nach Ansicht einiger Vertreter der Spitzensportverbände ist die Kritik Böhms, dass es keine ausreichenden Daten zu den geförderten Athleten gibt, völliger Blödsinn. Vielmehr gebe es solche Kaderlisten zur Genüge und dies sei dem BMI auch bekannt. Nachgelesen werden kann das bei den Schriftproben, wo ich das Titelthema abgelegt habe.

Von außen betrachtet wirkt es als sei die Diskrepanz zwischen den Aussagen Böhms und denen der Vertreter der Spitzensportverbände einem unterschiedlichen Verständnis von erforderlicher und praxistauglischer Bürokratie bei der Vergabe und Kontrolle von staatlichen Geldern für die Spitzensportförderung geschuldet: Auf der einen Seite Böhm und seine Mitarbeiter aus dem BMI, die wissen wollen, wo jeder Cent der Fördergelder hinfließt. Auf der anderen Seite die Vertreter des Sports, die meinen, dass eine solch kleinteilige Kontrolle in der Praxis und im Alltag von Sportlern mit unsteten Leistungsentwicklungen sowei damit verbundenen wechselnden Kaderzuordnungen und durchaus variierenden Trainingsstandorten nicht umsetztbar ist.

Das nachfolgende Interview wurde Anfang Dezember geführt, wenige Tage vor der damals schon feststehenden Wahl von Alfons Hörmann zum neuen DOSB-Oberen. Die Aussagen haben jedoch nichts an Aktualität verloren, auch wegen der Weihnachtsfeiertage, währenddessen die deutsche Sportpolitik mal durchgeschnauft hat. Hier nun das Interview:

Herr Böhm, was erhofft man sich im Bundesinnenministerium von dem neuen Präsidenten des DOSB, Alfons Hörmann?

Böhm: Ich erhoffe mir zunächst einmal weiter eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit, die noch stärker als bisher auf Fakten basiert und sich bei den Planungen mehr am Machbaren orientiert.

Sie beziehen sich damit auf immer wieder durch den DOSB gestellte Forderungen nach mehr staatlichen Geldern zur Spitzensportförderung.

Wir wünschen uns vor allem eine größere Offenheit gegenüber einem Daten basiertem Austausch, zum Beispiel bezüglich der Kaderzahlen, einer wichtigen Stellgröße für den Mitteleinsatz. Da heißt es seitens des DOSB bereits seit einiger Zeit: „Wir arbeiten daran.“ Aber für unsere Förderzwecke gut verwertbare Ergebnisse haben wir bis dato leider noch nicht ausreichend übermittelt bekommen. Es ist doch beispielsweise nicht nur im Interesse der Steuerzahler, sondern vor allem auch im Interesse des Sports selbst, dass es personalisierte Kaderlisten gibt, um Mittel effektiv einzusetzen und zum Beispiel Doppelnennungen herauszufiltern. Hier erhoffe ich mir Verbesserungen, bin aber nach unseren letzten Gesprächen mit dem DOSB zuversichtlich.

Was lässt Sie glauben, dass es unter dem neuen DOSB-Präsidenten anders läuft?

Herr Hörmann ist Unternehmer und als solcher ein realitätsnaher, effizienzorientierter und sicher durchsetzungsstarker Mensch. Er sagte bereits in Interviews, dass man nach sieben Jahren DOSB schauen muss, ob man nicht ein paar Korrekturen vornehmen müsste.

Was wünschen Sie sich noch?

Wir wollen weiter mit Nachdruck die Beschlüsse der Weltsportministerkonferenz, die in diesem Jahr in Berlin stattfand, umsetzen. Da wünsche ich mir, dass der DOSB uns etwa bei den Gesprächen mit dem Europarat, der EU und insgesamt auf internationaler Ebene im gemeinsamen Interesse zur Seite steht. Vor allem aber wünsche ich mir, dass der DOSB auf internationaler Ebene versucht zu erreichen, dass die Anforderungen für Großsportveranstaltungen umweltverträglicher und auch sozio-ökonomisch nachhaltiger, vor allem aber maßvoller werden. Der deutsche Sport sollte bei entsprechenden Gelegenheiten aufstehen und sagen: Die Schraube ist irgendwann mal überdreht. Immer höher, immer schneller, immer weiter, damit leider auch immer teurer – irgendwann sind Grenzen erreicht. Wir müssen mehr auf die Ressourcen achtgeben. Der neue IOC-Präsident Thomas Bach hat erfreulicherweise in den letzten Tagen die Diskussion um Reformen aufgenommen und Denkanstöße formuliert

Es gibt Stimmen, der DOSB habe sich in den vergangene Jahren zu wenig um den Breitensport gekümmert und zu sehr um den Spitzensport. Was ist Ihr Eindruck?

Der Breitensport ist unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeiten für den Bund nur ein Thema am Rande, zu dem ich mich daher kaum äußern kann. Aber aus dem Thema Basis könnte der DOSB vielleicht mehr machen. Es wird ja immer betont, dass der DOSB für über 27 Millionen Mitgliedschaften stehe, die in Vereinen über ganz Deutschland verteilt organisiert sind. Diese Kraft vor Ort könnte nach meiner privaten Meinung mehr genutzt werden, auch um das Bewusstsein dafür zu stärken, dass solche großen und herausragenden Sportereignisse wie Olympische und Paralympische Spiele viel Gutes bewirken können. Insgesamt wirkt der Breitensport etwas abgekoppelt vom Spitzensport.

Hat sich der DOSB in seiner Ausrichtung also zu sehr auf den Spitzensport konzentriert?

Ich denke, der Fokus wurde sehr auf den Spitzensport gelegt. Wenn man es schaffen würde, den gefühlten Abstand zwischen Spitzensport und Breitensport zu verringern, würde das sicher auch zu mehr Akzeptanz für den Spitzensport in den Vereinen führen. Im Moment hat man manchmal das Gefühl, hier gibt es den Spitzensport, dort den Breitensport.

Befürworten Sie eine Änderung der Strukturen im DOSB?

Strukturen unterfallen der Autonomie des Sports, deshalb sage ich dazu nichts. Meiner Meinung nach sind Strukturen nicht das alles entscheidende. Vielmehr kommt es darauf an, wie man diese ausfüllt.

Alfons Hörmann sagte in einem Interview, dass man sich der Diskussion stellen müsse, wie die Rahmenbedingungen von Trainern und Betreuern verbessert werden könnten. Finanziert werden diese größtenteils von Geldern aus Ihrem Ministerium.

Zu diesem wichtigen Thema haben wir uns bereits intensiv mit dem DOSB ausgetauscht. Zudem finanziert das Innenministerium eine Studie, die demnächst in Auftrag gegeben wird, mit der untersucht werden soll, wie die Bedingungen der Trainer – und zwar nicht nur was das Gehalt angeht – hierzulande und im internationalen Vergleich tatsächlich aussehen, Derzeit hören wir häufiger, dass ausländische Verbände deutsche Trainer abwerben, weil sie höhere Gehälter bezahlen. Wir wollen dem auf den Grund gehen und schauen, ob das wirklich so ist und wie man dem unter Umständen abhelfen kann. Außerdem wollen wir Gehaltsuntergrenzen für alle Trainer einführen, für den Bereich der sogenannten mischfinanzierten Trainer ist dies bereits geschehen. Auch hier arbeiten wir mit dem DOSB zusammen.

Diskus-Olympiasieger Robert Harting will mit dem Unternehmer Gerald Wagener eine Sportlotterie aufziehen, mit der deutsche Spitzensportler gefördert werden sollen. Der DOSB befürchtet einen Kanibalisierungseffekt, indem nur die Gelder von der Glücksspirale und Lotto, die sonst dem DOSB und der Sporthilfe zufließen, zur Sportlotterie umverteilt werden. Wie ist die Haltung des Bundesinnenministeriums dazu?

Eine private Initiative, die dazu führt, dass Spitzensportler und die Nationale Anti-Doping Agentur finanziell unterstützt werden, ist grundsätzlich überaus positiv zu bewerten. Zu dem befürchteten Kanibalisierungseffekt kann ich nur sagen, dass es nach meinen Informationen Berechnungen gibt, wonach die Überschneidung von Sportlotterie zum Deutschen Lotto- und Toto-Block nur bei etwa 0,04 Prozent und zur Glücksspirale bei etwa 1,2 Prozent liegt. Das hört sich doch vertretbar an, wenn am Ende pro Jahr 100 Millionen Euro für die Förderung von Spitzensportlern herausspringen.

Finden Sie es nicht auch ein wenig verwunderlich, dass nicht der DOSB der Initiator dieser Sportlotterie war und sich auch nicht wie die Deutsche Sporthilfe als Gesellschafter beteiligt?

Ich habe gehört, dass der DOSB die Option hat, sich als Gesellschafter zu beteiligen. Das wird aber wohl noch geprüft, genauso wie ja noch geprüft wird, ob die Sportlotterie die nötigen behördlichen Genehmigungen erhält. Natürlich wünsche ich mir immer, dass auch der Sport versucht, sich nicht vornehmlich auf Steuergelder zu verlassen; ein Prüfungsrecht muss man dem Sport aber selbstverständlich zugestehen.

Herr Böhm, vielen Dank für das Gespräch.

(Bildquelle: BMI/Hans-Joachim M. Rickel)

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  1. Schach matt durch die Politik – Nicht nur Schach kein Sport? – Unheilvolle Allianz DOSB und BMI? | Schach im Vogtland - 25. Mai 2014 at 22:07

    […] ist das Interview mit Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium und am 07.01.2014 von Tobias […]

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