Fan-Forscher: „Restriktive Strafen gegen Ultras wirken gegenteilig“

Harte Strafen gegen unerwünschtes Fanverhalten: Dieser Strategie bedienen sich immer mehr Bundesligavereine, zum Beispiel Borussia Dortmund wegen der Ausschreitungen im Derby gegen Schalke 04 Ende Oktober. Fanforscher Harald Lange warnt, dass diese Taktik auch nach hinten losgehen kann. 

Es ist wenige Wochen her, da gab Borussia Dortmund bekannt, dass man auf die Vorfälle beim Revierderby auf Schalke mit drastischen Maßnahmen reagieren werde. Der Bundesligist entzieht den drei Ultra-Gruppierungen „Desperados“, „Jubos“ und „The Unity“ zumindest für den Verlauf der gesamten Saison die sogenannten Auswärtsdauerkarten für Liga- und Pokalspiele. Auch dieses jüngste Beispiel zeigt: Harte Strafen gegen unerwünschtes Zuschauerverhalten scheint in der Bundesliga ein immer beliebteres Mittel zu werden, um Probleme mit einzelnen Stadionbesuchern in den Griff kriegen zu wollen.

Laut dem Fanforscher Harald Lange könnte sich diese Taktik als falsch erweisen – auch wenn es immer einer Einzelfallbetrachtung bedarf. „Restriktive Strafen haben langfristig den gegenteiligen Effekt als den eigentlich gewünschten – zumal wenn diese auch noch kollektiv gehalten sind. Sie wirken nämlich nicht erzieherisch auf die Fanszene“, meint Lange. Stattdessen würden sich jene Personen, die auf der Kippe stehen, letztlich für die Aggression und Gewalt entscheiden, so Lange vom Institut für Fankultur.

Für den Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg ist es die falsche Strategie im Kampf gegen einzelne Zuschauer oder auch Fangruppen, die mit dem Abfackeln von Pyrotechnik oder dem Hochhalten von Bannern mit zweifelhaften Motiven gegen die Vorschriften von Verein und Liga oder sogar gegen das Strafrecht verstoßen. „Harte Strafen sollten immer nur das allerletzte Mittel sein. Etwa wenn eine konkrete Gefahr in Verzug ist“, meint Lange. Sonst sollten andere Mittel gesucht werden. Andernfalls drohe sich der folgende Mechanismus in Gang zu setzen: „Wenn etwas von einer Gruppe als unfair empfunden wird, dann zementiert man damit Trennlinien.“ Eine Annäherung ist dann nur noch schwer möglich.

Bären-Dienst: eigene Fans als Arschlöcher zu bezeichnen

Äußerungen wie die von Martin Kind aus dem vergangenen September, dass die eigenen Fans Arschlöcher seien, weil sie den zum VfL Wolfsburg gewechselten ehemaligen 96-Profi Emil Pogatetz gnadenlos ausgepfiffen und beschimpft haben, würden bei Stammtischkollegen vielleicht für Ansehen sorgen, meint Lange weiter. Letztlich erschwere so etwas aber nachhaltig die Arbeit der Fanbetreuer und der Polizei. Daher sollten Vereinsvertreter wie Kind ihre Worte sehr genau abwägen.

Die Vereinsführung um 96-Präsident Martin Kind hatte in der Auseinandersetzung mit einzelnen Fangruppen, die größtenteils der Ultraszene zuzurechnen sind, zuletzt auf harte Einschnitte bei den Fan-Privilegien gesetzt. So wurde der Zugang zu Räumen am Stadion verwehrt, wo vorher große Fan-Choreografien vorbereitet worden waren. Ein Fanshop von 96-Anhängern musste aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Klub schließen. Und wie auch jüngst in Dortmund wurde es den Ultras untersagt, bereits Stunden vor dem Spiel ins Stadion zu gelangen, um dort ihre Choreografien vorzubereiten. Auch Stadionverbote, die aus Sicht der einzelnen betroffenen Fans ungerechtfertigt ausgesprochen wurden, haben zu großem Unmut in der Hannoveraner Ultraszene geführt.

(Bildquelle: Bredehorn Jens / pixelio.de)

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